Wieder mal ist der Alkohol an allem schuld. So könnte man etwas zugespitzt den Tenor einiger Einlassungen von Politikern beschreiben, die nach Wegen suchen, die Corona-Pandemie in Berlin einzudämmen.
Den Anfang machte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci. Die SPD-Politikerin warf Kneipengästen und -wirten vor, immer wieder Abstands- und Hygieneregeln zu missachten. Daher müsse man über ein Alkoholverbot in Gaststätten nachdenken. Mit dieser Einschätzung konnte sich Kalayci nicht im Senat durchsetzen, doch das Thema war gesetzt.
Vorbild Hamburg
Doch nicht nur in Bars und Kneipen pfeifen viele feierfreudige Menschen auf den Mindestabstand. Auch vor vielen Spätis in den Innenstadtkiezen bilden sich am Abend Menschentrauben. Nicht nur, aber auch rund um den Rosenthaler Platz in Mitte. Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) hat sich dafür ausgesprochen, ein „zeitlich begrenztes“ – will heißen: auf die Abend- und Nachtstunden abzielendes – Verbot für den Außerhaus-Verkauf von Alkohol ins Auge zu fassen. Ein solches Verbot beträfe demnach alle Verkaufsstellen vom Supermarkt bis zur Tankstelle.
„Größere feiernde Menschengruppen können die Ausbreitung des Sars-Cov2-Virus beschleunigen, da sie insbesondere unter Alkoholeinfluss die Abstands- und andere Verhaltensregelungen zum Infektionsschutz oft nicht einhalten“, so von Dassel. Mit einer entsprechenden Initiative sei Kalayci an die Bezirke, deren Ordnungsämter ein entsprechendes Verbot umsetzen müssten, herangetreten. „Wenn eine durchaus mit Berlin vergleichbare Stadt wie Hamburg mit einem lokal und zeitlich begrenzten Alkoholverkaufsverbot gute Erfahrungen macht, kann das nicht ignoriert werden“, so von Dassel.
Dessen Vorstoß kommt nicht von ungefähr: Mitte hat von allen Bezirken die höchste Zahl an Corona-Neuinfektionen. Zum Redaktionsschluss am Mittwoch meldete das Robert-Koch-Institut für Mitte 26 neue Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Die Gesamtzahl der Infektionen summiert sich auf rund 415 pro 100.000 Einwohner. Mit beiden Werten liegt Mitte auch bundesweit in der Spitzengruppe.
Neukölllner Bürgermeister: „Alkoholverbot kaum kontrollierbar.“
Widerspruch kommt aus Neukölln. „Die bestehenden Regeln sind die richtigen, sie müssen nur eingehalten und auch kontrolliert werden“, sagt Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD). Er nennt Abstand, Kontaktlisten und Maskenpflicht im Innenbereich. „Die Diskussion um ein Alkoholverbot in der Stadt, das kaum kontrollierbar sein dürfte, bringt uns auch nicht weiter.“ Aus den Bezirken kam bislang keine öffentliche Rückmeldung. Sebastian Czaja, Fraktionschef der FDP im Abgeordnetenhaus, wertete ein Alkoholverkaufsverbot als unverhältnismäßig und als ein Zeichen von Hilflosigkeit.
Datum: 20. August 2020, Text: Nils Michaelis, Bild: Getty Images/Plus/iStock/Cofe