DJs spielen ihre Sets vor leerem Raum für United We Stream
Bildnummer: 51282433 Datum: 13.05.2006 Copyright: imago/David Heerde DJ an den Reglern seines Mischpults, Körperteile , Objekte , Symbolfoto; 2006, Berlin, Nachtleben, Nightlife, Club, Clubs, Parties, DJs, Discjockey, Discjockeys, Mischpult, Mischpulte, Regler, Tonmischpult, Tonmischpulte, Musik, Hand, Hände; , hoch, Kbdig, Einzelbild, Deutschland, Arbeitswelten, Gesellschaft, , o0 Kunst, Musik

Zwei Wochen nach Start des Angebotes zieht „United We Stream“ Bilanz.

Am 18. März startete die Kampagne „United We Stream“ zur Rettung der Berliner Clubkultur. Gekoppelt ist sie an den Spendenaufruf „Save Berlin’s Club Culture in Quarantine“. Von 19 bis 24 Uhr laufen derzeit DJ-Sets und Live-Konzerte, die aus verschiedensten Clubs der Stadt direkt in die heimischen vier Wände übertragen werden. Mehrere Dutzend Einrichtungen hätten sich dem Projekt angeschlossen, knapp fünf Millionen Menschen habe man bisher über die verschiedenen Social Media- und Streaming-Kanäle erreichen können und knapp 300.000 Euro Spenden gesammelt, heißt es zum Auftakt einer virtuellen Pressekonferenz mit zahlreichen Experten.

Reichweite nutzen

„Was für ein Projekt in einer verrückten Zeit“, resümiert Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission Berlin. Eigentlich sei ein Club dafür gemacht, damit Menschen abschalten und ganz sie selbst sein können. Wo sich für gewöhnlich dicht an dicht Körper aneinanderdrängen, performen DJs und Künstler nun vor leerem Raum. Genau das sei es, was das Projekt „United We Stream“ so interessant mache, so Leichsenring. Bis zu 5.000 Musik-Fans schalten  jeden Abend ein – eine enorme Reichweite. Das weiß auch Rosa Rave, Sprecherin des Bündnisses „Reclaim Club Culture“. „5.000 Menschen gleichzeitig in einem Stream. Einen so großen Club gibt es nicht.“

Solidarität zeigen

Der Gedanke von „United We Stream“ erstrecke sich über die Clubszene, denn auch an anderen Stellen sei Solidarität gefragt. „Solidarität brauchen nicht nur die von der Schließung bedrohten Clubs und die vielen Solo-Selbstständigen“, so Rosa Rave. Sie spricht von den vielen Menschen in Pflegeberufen, die bereits vor der Coronakrise in prekären Anstellungen gearbeitet haben. „Heute fällt uns das plötzlich auf. Wir fordern Solidarität über die Clubgrenze hinaus.“ Um dies zu verdeutlichen, würden acht Prozent des gesamten Spendenvolumens an die Initiative „Zivile Seenotrettung“ gehen.

Neues politisches Format

Die Berliner Kampagne hat bereits andere Städte weltweit inspiriert, eigene „United We Stream“-Varianten zu gründen. Um das Musikprogramm zu ergänzen, läuft ab Sonntag zweimal die Woche von je 16 bis 19 Uhr das Debattenformat „United We Talk“. „Wir verstehen die Krise als Point Zero, als Startpunkt für eine umfassende Transformation. Die Zukunft nach Corona muss jetzt ausgehandelt werden“, bekräftigt Hannah Göppert aus der Arbeitsgruppe Content von „United We Talk“. Im Mittelpunkt des Formats stünden inhaltliche Diskussionen zu wechselnden Schwerpunktthemen. „Gäste denken aus verschiedenen Perspektiven in die Zukunft, formulieren Visionen und Forderungen“, so Göppert. Die Reihe starte am 5. April mit dem Thema „Future Habitat“ und eröffne den Raum für Diskussionen zur Frage, was sich gerade für Clubs, Kulturproduktionen, soziale Initiativen und Mietenbewegungen ändere und wie sich dieser Moment nutzen lasse.

Blick in die Zukunft

Wie lange die Streams fortgesetzt werden, können die Experten pauschal nicht beantworten. Man wolle das Programm aufrechterhalten, „so lange es notwendig ist“, bestätigt Daniel Plasch von „United We Stream“. „Wir gehen nicht davon aus, dass Clubs oder Veranstaltungsorte zu den ersten Einrichtungen gehören, die wieder eröffnen dürfen.“ Man gehe davon aus, das Programm einige Monate fortzuführen. „Wir werde die Letzten sein, die wieder aufmachen können“, davon ist auch Pamela Schobeß, Betreiberin des Berliner Clubs Gretchen, überzeugt. „Tendenziell würde ich sagen, dass wir noch in diesem Jahr wiedereröffnen. Die Frage ist nur, ob es uns bis dahin noch gibt“, spricht sie damit sicher vielen anderen Betreibern aus der Seele. „Es sind harte Zeiten, das kann man nicht anders sagen“, schließt sich Konstantin Krex, Sprecher des Clubs Holzmarkt an: „Unser Alltag und all das was wir sein wollen – ein kultureller Marktplatz – das findet gerade nicht mehr statt.“

Keine Corona-Partys

So wird vorerst auch weiterhin das Wohnzimmer als Tanzfläche fungieren müssen, wenn DJs und Künstler über „United We Stream“ ihre kreativen Erzeugnisse direkt nach Hause bringen. Damit sich hier keine Gruppen zu kleineren Feiern zusammenschließen, appelliert „United We Stream“ in den Übertragungen durch Zwischenblenden in verschiedenen Sprachen an die Zuschauer. „Wir rufen zum Verantwortungsbewusstsein aller auf“, so Katharin Ahrend vom Arbeitskreis „Awareness“ der Clubkommission.

Datum: 4. April 2020, Text: Lisa Gratzke, Bild: imago images/David Heerde