Denkmal: Berlins Avantgarde traf sich in Weißensee und hinterließ ihre Spuren.

Große war das Interesse beim Tag des offenen Denkmals im September, mal ins sanierungsbedürftige ehemalige Kulturhaus Peter Edel zu schauen. Nur wenige aber erhielten Zutritt zu einem Schatz ganz besonderer Art: In den Nebenräumen des Erdgeschoss finden sich riesige Wand- und Deckenmalereien. Nicht etwa hirnlose Schmierfinken waren hier am Werk, sondern künstlerisch begabte Hände. Hunderte Quadratmeter voll.

Mehr als Galerie

cr_lvs_we_kulturhausBevorzugte Motive: Akte in zuweilen freizügigsten Posen sowie Stühle, Stühle, Stühle. Und dann auffallend das Signet „Wallywood“. Wer Wikipedia befragt bekommt zur Auskunft: Wally Wood war ein amerikanischer Comiczeichner, der hauptsächlich für seine Arbeiten für das MAD-Magazin und EC Comics berühmt war. Doch Urheber der Weißensee Schätze ist ein anderer:

„Wallywoods“ nannte sich eine vom Briten Paul Woods im Jahre 2004 in Kreuzberg gegründete Galerie für die Berliner Avantgarde-Kunstszene. Schon zwölf Jahre zuvor hatte Woods in Berlin mit Wandmalerecr_lvs_pa_kulturhauswe4ien begonnen und etwa diverse Restaurants verschönert. Von 2007 bis 2010 zog Wallywoods nach Weißensee, wollte mehr sein als bloß Studio und Galerie. Eher wimmelnder Veranstaltungsort und Arbeitsraum für Berlins Avantgarde, ein Ort, der Live-Performance, Malerei, Skulptur und extrem lauten Musik, der die engagiertesten Punks, Betrunkenen und Exzentriker zusammenbrachte, schrieb Paul Woods alias Paul Paradox einst.

Paul mag Stühle

„Einige Künstler machen Landschaften, einige Porträts, ich erschaffe cr_lvs_pa_kulturhauswe3Stühle“, sagt er. In Weißensee wurden es laut eigener Schätzung rund eine halbe Million. Freunde und Gäste halfen mit Eddings mit. Doch nach dreijährigem Kritzeln scheiterte der erhoffte Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Es gäbe zu wenig Vergleichbares, hieß es. Seiner Motivation tat dies keinen Abbruch: Er verwandelte weiter seine etwa 600 Quadratmeter großen Räume in das „Land der kleinen Stühle“. Woods kämpfte letztlich vergeblich darum, im „Peter Edel“, bleiben zu dürfen. Auch eine Protestdemo mit rund 40 Freunden verhinderten das Ende seines Mietvertrages nicht, weil der Bezirk das Kulturhaus potenziellen neuen Nutzern geräumt anbieten wollte. cr_lvs_pa_kulturhauswe2Heute lebt Paul Woods in London, Zürich und Berlin und arbeitet freischaffend in den Bereichen Dekorationsmalerei und Grafik-Design.

Temporär genutzt

Andreas Urbich vom Kommunalen Bildungswerk will das Kulturhaus bis 2019 für 5,2 Millionen Euro sanieren und umbauen, um Platz für Bildungsangebote und wieder einen Treffpunkt für Kulturevents und Nachbarn zu schaffen. Wallywoods Werke aber müssen weichen. Dafür hat Urbich keine Verwendung. Und Christa Juretzka, Leiterin des Pankower Fachbereichs Kunst und Kultur, sagt: „Das sind ledigliche Spuren einer temporären Nutzung.“ Eine Prüfung, ob die Malereien künstlerisch wertvoll und somit erhaltenwert seien, war für den Bezirk nie ein Thema.

Text und Bild: Michael Hielscher, Titelbild und weitere Bilder: Wallywoods Wand- und Deckenmalerien