MAN streicht 300 Stellen in Borsigwalde – ein Kahlschlag mit sozialem Sprengstoff.

Noch Anfang August lobte der Regierende Michael Müller (SPD) während seines Betriebsbesuchs das MAN-Diesel- & Turbo-Werk in Borsigwalde als „exzellentes Beispiel für den innovativen Industriestandort Berlin“. Schnee von gestern. Denn die hoch gelobte, hoch profitable, hoch ausgelastete VW-Tochter will ihr Berliner Engagement überraschend einschränken. Das in Augsburg ansässige Unternehmen kündigte Ende September ein „Zukunftsprogramm“ an, um ein „nachhaltig profitables Geschäft in der Umsatzgrößenordnung von drei Milliarden Euro abzusichern und uns damit fit zu machen für die Gipfeljagd“, wie Vorstandsvorsitzender Dr. Uwe Lauber erklärte.

Fassungslose Mitarbeiter

cr_lvs_re_man_innen1Gipfeljagd, Profit, Restrukturierung – wenn Vorstände so argumentieren, haben Arbeitnehmer häufig schlechte Karten. Hier bedeutet es im Klartext: MAN streicht 1.400 seiner weltweit 14.900 Arbeitsplätze, davon 1.000 in Deutschland – und allein 317 im Berliner Werk. 317 von 520 – Belegschaft und IG Metall sind fassungslos, entsetzt und wütend. Sie befürchten eine Schließung auf Raten. Die Angst um die Arbeitsplätze ist groß. Das Leben vieler Menschen stürzt ins Chaos. „Wir sind erfolgreich, konzernweit am besten ausgelastet – warum also dieser Kahlschlag?“, empört sich Betriebsratsvorsitzender René Marx. „Das bringt uns unter eine kritische Größe; ein zukunftsfähiges Konzept ist dann nicht mehr möglich.“ Auch Klaus Abel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin, sieht das so. Er kritisiert den Stellenabbau als betriebswirtschaftlich ungerechtfertigt und weist auf den sozialen Sprengstoff hin. Die Aufgabe dieses langjährigen Industriestandorts bedeutete schließlich Arbeitslosigkeit, Kaufkraftverlust. „Es ist nicht erklärbar, diesen modernen Fertigungsort mittelfristig aufzugeben. Die Pläne zur Auslagerung entscheidender Abteilungen würden das Werk auf eine verlängerte Werkbank mit geringen Überlebenschancen reduzieren. Das werden wir nicht akzeptieren“, sagt er energisch.

Alternative gefordert

Die MAN-Chefetage begründet ihr Vorgehen mit sinkender Investitionsbereitschaft der Kunden. Aufgrund anhaltend niedriger Ölpreise würden weniger Kompressoren für die Öl- und Gasindustrie bestellt; auch in der Schiffsindustrie, Abnehmer großer Dieselaggregate, sei der Preisdruck enorm. Zu vermuten sind weitere Gründe – wie die Turbulenzen aus der VW-Abgaskrise oder die Konzentration des VW-Konzerns auf sein Kerngeschäft Automobilbau. Zwar will das Management betriebsbedingte Kündigungen vermeiden, doch Betriebsrat und IG Metall reicht dies bei weitem nicht: Sie fordern die Entwicklung alternativer Vorschläge, die unverzügliche Vorlage aller dafür notwendigen Informationen. Bisher verweigert das Management. Die Gespräche laufen.

Jürgen Zweigert, Bilder: Christian von Polentz/transitfoto.de