Musik: Karl-Heinz Drechsel ist seit 40 Jahren der Jazz-Experte im Kulturhaus-
Wer sich in Deutschland für Jazz interessiert, kommt am Namen Karl-Heinz Drechsel nicht vorbei. Der inzwischen 86-jährige Musikjournalist hat mehr als ein halbes Jahrhundert Jazzgeschichte mitgeschrieben. Er hat Musikerlegenden wie Louis Armstrong und Albert Mangelsdorff auf ihren Tourneen durch die DDR begleitet, Dizzy Gillespie interviewt und unzählige Aufnahmen, Vertonungen und Konzertmitschnitte kommentiert und moderiert. Auf Drechsels Initiative hin entstand Anfang der siebziger Jahre das renommierte Dixie-Land-Festival in Dresden und nach der Wende war er – inzwischen als Dr. Jazz bekannt – der kompetente Moderator auf zahlreichen Jazz-Festivals, -Meetings und -Sessions. Auch mit dem Kulturhaus in Karlshorst verbindet der gebürtige Dresdner eine ganz innige Liebe, in der es um die vielen Geschichten geht, die der Jazz schreibt und die Drechsel über den Jazz geschrieben hat. „Mitte der siebziger Jahre gab es hier den Jazztreff noch ganz formlos. Ohne Verein. Ohne Satzung“, erzählt Drechsel, der damals beim DDR-Hörfunk zu seinem Lieblingsthema lange Jahre zahlreiche Sendungen produzierte.
Herzensangelegenheit
„Eines Tages hatte man mich angerufen und gefragt, ob ich nicht auch hier live Musikveranstaltungen begleiten und moderieren möchte. Für mich eine Herzensangelegenheit vom ersten Tag an“, gesteht Drechsel, der im Jahr 1974 das allererste Mal einen Abend im Kulturhaus mitgestaltete. Damals passten noch viel mehr Leute in den Saal als heute, und der Jazz war hier vor allem für den Tanz gedacht. „Im Prinzip interessiere ich mich für alle Spielarten des Jazz. Aber der Dixieland, die Volksmusik des Jazz hat es mir besonders angetan“, gesteht der Jazzfachmann. „Das alte Haus hatte natürlich mehr Charme und Platz. Hier konnten bis zu 200 Leute tanzen“, so Drechsel. Dafür sei heute die Akustik viel besser. „Es hat jetzt mehr Werkstattcharakter“, bringt Dr. Jazz die Atmosphäre auf den Punkt.
Bei Oldtimern dabei
Echte Gänsehautmomente hatte es bei Konzerten Mitte der 90er gegeben, als ein René Franc das Publikum mit seinem Sopransaxophon in seinen Bann zog und auch traditionelle englische Bands mit vollem Einsatz um die Publikumsgunst buhlten. Heute begleitet Drechsel nur noch selten die Konzerte mit Moderationen im Kulturhaus. „Wenn Oldtimer-Gruppen kommen, bin ich noch auf der Bühne zu sehen“, erläutert er. An die alten Zeiten hingegen erinnert er sich noch gerne, als eben jener René Franc noch ohne echte Gage hier auftrat, lockte das sogar das Publikum aus Westberlin hierher nach Karlshorst.
Eigener Verein
An den Namen der allerersten West-Band, die nach dem Mauerfall hier ein Konzert gab, erinnert sich Drechsel zwar nicht mehr, aber dass sie aus Wuppertal kam und hier am 10. November 1989 mit Papa Binnes Jazzband den Abend bestritt kann er sich hingegen noch immer erinnern. Knapp zwei Jahre später hatte der Jazztreff einen eigenen Verein gegründet. Und den gibt es jetzt immer noch, seit einem Vierteljahrhundert im inzwischen neu gebauten Karlshorster Kulturhaus.
Autor und Bild: Stefan Bartylla