Allee bekommt mehr Platz für Radler und Fußgänger und weniger für Autos.

Berlin ist ein gefährliches Pflaster für Radfahrer: Alle zwei Stunden verunglückt einer; bis Ende September 2016 gab es zwölf Tote – bereits zwei mehr als im gesamten Vorjahr. Die Statistik 2015 weist knapp 8.000 Radfahr-Unfälle mit 675 Schwer- und 5.127 Leichtverletzten aus. Meistens spielen Kraftfahrer die fatale Rolle, besonders bei den tödlichen Unfällen. Doch gut die Hälfte aller Unfälle wird von den Radlern selbst mit verursacht. Die Polizei registriert immer mehr Rotlicht-Sünder und Rüpelradler. Vorwiegend das eigene Verhalten aller Verkehrsteilnehmer entscheidet darüber, ob das Rad zum Lebensrisiko wird. Aber nicht nur. Sichere Mobilität braucht vor allem sichere Wege. Und da hapert‘s bei den Radwegen Berlins mächtig: zu eng, zu dicht an Autos und Fußgängern, zu holperig, zu unübersichtlich.

Hoch gefährlich

Das „Modellprojekt Schönhauser Allee“
Das „Modellprojekt Schönhauser Allee“

Die Schönhauser Allee ist ein Paradebeispiel dafür. Hier kommen sich Autos, Fußgänger und Radler ständig in die Quere. Der 6,5 Kilometer lange Radweg ist viel zu schmal, viele Bäume und die sanierungsbedürftige Plattenpflasterung machen ihn streckenweise hoch gefährlich. Das soll sich ändern: Bezirk und Senat planen den verkehrsberuhigten Umbau der Allee. Sie soll schöner und vor allem sicherer werden. Mehr Raum für Passanten und Radfahrer, weniger Platz für Autos. Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) hat klare Vorstellungen: „Der Radweg kommt durchgehend auf die Fahrbahn, das bedeutet eine Spur weniger für Autos.“ Probleme sieht er nicht, da bereits heute eine Spur Realität ist, weil die zweite häufig von haltenden Fahrzeugen blockiert wird. Als Fernziel schwebt ihm vor, den gesamten Autoverkehr auf die westliche Seite der Allee zu verlegen; dort gäbe es dann je eine Spur für beide Richtungen. Auf der östlichen Seite wäre ausreichend Platz für Fußgänger und Radler; es entstünde ein neuer Stadtplatz.

Mehr Raum

Doch das ist noch Zukunftsmusik. Zuvor wird das „Modellprojekt Schönhauser Allee“ mit Anwohnern und Verkehrsteilnehmern ausgiebig diskutiert. „Es geht um die gerechte Verteilung des knappen öffentlichen Raums zwischen allen Nutzern“, sagt Pressesprecher Martin Pallgen aus der Senatsbauverwaltung. Eine tragende Idee ist der temporäre Einsatz mobiler und variabel nutzbarer Plattformen – sogenannte Parklets, die anstelle von Parkplätzen den Menschen mehr Raum bieten. Sie erweitern praktisch die Bürgersteige, laden zu Begegnung ein; sie sind Kunstwerke, in denen man reden, lesen, essen, spielen kann. Geplant sind auch weitere Fahrradabstellanlagen und die Umgestaltung im Bereich des U- und S-Bahnhofs. So wird die Schönhauser Allee Modellprojekt einer neuen „Mobilitätskultur“, das dazu beiträgt, die Nutzungskonflikte zwischen Fußgängern, Radlern, Autofahrern und öffentlichem Nahverkehr zu entschärfen. 2018 soll es richtig losgehen.

Jürgen Zweigert, Bilder: imago/Jürgen Ritter