Berlin (dpa/bb) – Werner Graf führt die Grünen als Spitzenkandidat in die Berlin-Wahl 2026 und soll als neuer Regierender Bürgermeister in das Rote Rathaus einziehen. Auf einem Parteitag in Neukölln kürten die Delegierten den 45-Jährigen mit großer Mehrheit – gemeinsam mit Bettina Jarasch (57), die mit Graf eine Art Spitzenteam bildet.
Die Grünen bestätigten bei dem Parteitag zudem ihre Doppelspitze. 86,9 Prozent der Delegierten stimmten für die Realpolitikerin Nina Stahr (43) und 77,1 Prozent für den Parteilinken Philmon Ghirmai (41). Das Duo steht seit Dezember 2023 an der Spitze des Grünen-Landesverbandes.
Bei der Abstimmung zur Spitzenkandidatur votierten 147 Delegierte oder 81,7 Prozent für das Duo Graf/Jarasch. Es gab 23 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen. Auf Timur Ksianzou, der überraschend gegen Graf und Jarasch antrat, entfiel eine Stimme. Der junge Mann stellte sich als Mitglied im Grünen-Kreisverband Reinickendorf vor.
Nominierung schon im Juli
Der Landesvorstand der Grünen hatte Graf bereits im Juli als Kandidaten für das Rote Rathaus nominiert und Jarasch, die 2021 und 2023 Spitzenkandidatin war, als Teil des Spitzenteams. Graf amtierte von 2016 bis 2021 Parteichef. Dem Abgeordnetenhaus gehört er seit 2021 ein. Seit März 2022 ist er dort Co-Fraktionsvorsitzender, seit März 2023 gemeinsam mit Jarasch. Die Politikerin gehört dem Abgeordnetenhaus seit 2016 an und amtierte von 2021 bis 2023 als Verkehrs- und Umweltsenatorin.
Mission Rotes Rathaus
«Ich trete an, um Kai Wegner abzulösen», sagte Graf. Denn die seit 2023 von CDU und SPD regierte Stadt gerate immer mehr unter die Räder. «Berlin wird gerade immer grauer und grauer. Es droht immer mehr, sein Gesicht zu verlieren», meinte Graf. «Mit diesem Senat wird Berlin kälter, dreckiger und gefährlicher.» Wegners Senat habe die Verkehrswende gestoppt, tue nichts für den Schutz der Mieter und streiche bei sozialen und kulturellen Projekten.
Die Grünen wollten das ändern. Statt der «Betonschneise» A100 wollten sie Bus und Bahnen verlässlich machen, Fuß- und Radwege ausbauen, in die Sauberkeit der Parks investieren oder die Geothermie ausbauen.
«Hausverbot» für gierige Vermieter
Graf forderte auch ein «Hausverbot» für diejenigen Vermieter in Berlin, die Recht und Gesetz mit Füßen treten, nur Kasse machen wollten und nicht in Instandhaltung investieren. «Wer glaubt, in Berlin Monopoly spielen zu können, der muss damit rechnen, dass wir die Ereigniskarte ziehen – und auf der steht: Vergesellschaftung.»
Jarasch griff den schwarz-roten Senat und vor allem den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) unter anderem wegen dessen Verkehrspolitik an. Die Stadt stehe im Stau, weil die CDU eine Politik gegen Rad und Bahn betreibe. «Wir haben in den letzten drei Jahren einen Radwegestopp erlebt, einen Tram-Stopp, den Stopp für Busspuren, für Tempo 30 und den Stopp für Verkehrsberuhigung», zählte Jarasch auf. S- und U-Bahn steckten in der Krise.
Liebe statt Hass
Graf und Jarasch beklagten einen erstarkenden Rechtsextremismus und eine Polarisierung in der Gesellschaft. Die AfD gehöre verboten. Und: «Wir werden dem Hass die Liebe entgegenstellen», sagte Graf.
Mäßige Umfragewerte für Grüne
Bei der Wiederholungswahl im Februar 2023 waren die Berliner Grünen drittstärkste Partei geworden. Sie kamen auf 18,4 Prozent und lagen damit weit hinter der CDU (28,2 Prozent) und nur wenige Stimmen hinter der SPD (18,4 Prozent). Da CDU und SPD anschließend eine Koalition bildeten, mussten die Grünen in die Opposition. Zuvor hatten sie mehr als sechs Jahre gemeinsam mit SPD und Linken regiert.
In letzten Umfragen lagen die Berliner Grünen zwischen 14 und 16 Prozent hinter CDU und Linken. Die Wahl zum Abgeordnetenhaus findet am 20. September 2026 statt. Die CDU dürfte mit Wegner als Spitzenkandidaten ins Rennen gehen. Die SPD zieht mit Steffen Krach in den Wahlkampf, die Linken mit Elif Eralp und die AfD mit Kristin Brinker.
Duo Stahr/Ghirmai ist eingespielt
Zurück zur Parteiführung der Berliner Grünen: Als Landesvorsitzender war Ghirmai bereits 2021 erstmals gewählt worden. Er amtierte zunächst gemeinsam mit Susanne Mertens. Stahr löste Mertens 2023 ab.
Sie amtierte bereits von 2016 bis 2021 zusammen mit dem heutigen Spitzenkandidaten Werner Graf als Parteichefin. Ihre Wiederwahl 2023 war ein Stück weit aus der Not geboren. Auf einem Parteitag fiel die damalige Kandidatin des Realo-Flügels, Tanja Prinz, in drei Wahlgängen durch. Auf einem neu angesetzten Parteitag wurde dann Stahr gewählt.
2021 war die Politikerin im Bundestag eingezogen, verlor ihr Mandat aber bei der Berliner Teilwiederholung der Wahl im Februar 2024. Ghirmai wiederum will bei der Abgeordnetenhauswahl am 20. September 2026 in das Landesparlament einziehen.
