Berlin (dpa/bb) – Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch ist noch ganz neu im Amt und bekommt es mit vielen alten Problemen zu tun. Eines ist der chronische Mangel an Lehrerinnen und Lehrern. Ein schnelles Ende ist nicht in Sicht. «Im vergangenen Sommer fehlten rund 1000 Lehrkräfte. Sie können davon ausgehen, dass wir dieses Jahr mit einer ähnlichen Zahl umgehen müssen», sagte die CDU-Politikerin, die am Freitag den Vorsitz der Kultusministerkonferenz übernimmt, der Deutschen Presse-Agentur.
«Als künftige KMK-Präsidentin will ich gemeinsam mit allen Bundesländern auch neue Wege zur Fachkräftegewinnung beschreiten», sagte Günther-Wünsch. Grund zur Entwarnung gibt es nach ihrer Einschätzung auch in naher Zukunft nicht. «Im Gegenteil: Wenn Sie schauen, dass uns die Pensionierung der geburtenreichen Jahrgänge erst noch bevorsteht, dann kann man davon ausgehen, dass die Lücke in ganz Deutschland sogar größer werden wird.»
Am Lehrkräftemangel haben sich schon ihre beiden SPD-Vorgängerinnen an der Spitze der Bildungsverwaltung abgearbeitet. Nun hat die CDU die Verantwortung für das als schwierig geltende Ressort. «Wir kämpfen gegen diesen Fachkräftemangel an: Mit der systematischen Weiterqualifizierung von Quereinsteigern, mit dem Einsatz von Pensionären und Studierenden und mit zahlreichen Werbemaßnahmen zur Fachkräftegewinnung», so die CDU-Bildungsexpertin. Auch die Zahl der Studienplätze in den Lehramtsstudiengängen soll erhöht werden.
Günther-Wünsch plädiert dafür, Neues auszuprobieren – und zum Beispiel auch Lehrkräfte zuzulassen, die nur ein Fach unterrichten. «Können wir es uns wirklich leisten, zu sagen, der Diplom-Chemiker, der Mathematiker, der IT-ler muss auf Teufel komm raus noch drei, vier, fünf Jahre nachstudieren und dann noch das Referendariat machen?» Stattdessen sollte er das nötige methodisch-didaktische Handwerkszeug bekommen und dann nach anderthalb, zwei Jahren auch mit einem Fach unterrichten können, schlägt Günther-Wünsch vor – zumindest bei Mangelfächern.
Dagegen hält sie wenig von den Überlegungen aus Brandenburg, Seiteneinsteigern mit Bachelor-Abschluss die Verbeamtung zu ermöglichen. «Was wir in Erwägung gezogen haben, ist ein duales Studium: Nach einem Bachelor kann man den Master gemeinsam mit dem Referendariat machen, so dass man nach fünf Jahren fertig wäre.»
Mehr Tempo wünscht sich die Bildungssenatorin bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse etwa von ukrainischen Lehrkräften. «Das Zweite ist die sprachliche Barriere: Momentan brauchen ausländische Lehrkräfte, die im Berliner Schuldienst eingestellt werden wollen, zwingend das C2-Sprachniveau», sagte Günther-Wünsch. «Ich habe mal zwei Jahre Arabisch gelernt – bis ich auf dem Level angekommen wäre, wäre ich in Pension gewesen.» Auch hier seien innovative Lösungen gefragt – etwa, solche Lehrkräfte begleitet durch Mentorinnen und Mentoren einzusetzen oder zur Unterstützung der teils traumatisierten schutzsuchenden Kinder und Jugendlichen.
Potenzial sieht Günther-Wünsch außerdem bei Lehrkräften, die aktuell nicht in der Schule arbeiten: «Es gibt Vollzeitstellen von Lehrkräften, die sich in Abordnungen befinden – oft in ganz wichtigen Bereichen: in der Schulpsychologie, in der Referendarausbildung und auch in die Senatsbildungsverwaltung», so die Bildungssenatorin. «Wenn uns rund 1000 Lehrkräfte fehlen, müssen wir ganz sorgfältig und mit Augenmaß prüfen, welche dieser Abberufungen wir reduzieren können.» Wie viel das bringt, ist schwer abzuschätzen.
Als sicher gilt, dass Berlin mehr ausbilden muss. «In den aktuellen Hochschulverträgen steht die Zahl 2000», so die Senatorin. «Wir haben uns jetzt auf 2500 Studienplätze geeinigt.» Die Gewerkschaft GEW fordert dagegen 3000 pro Jahr. «Aber die Frage ist, hilft uns eine bloße Zahl im Koalitionsvertrag?», fragte Günther-Wünsch. «Was uns die Hochschulen spiegeln ist, dass ihnen die Bewerber fehlen oder dass viele nicht zu Ende studieren und das Studienfach wechseln.»
«Wir sehen, dass die, die Grundschullehramt studieren, immer noch ganz klassisch Mathematik machen müssen und zwar höhere Mathematik.» In der Folge gebe es dann eine Abbruchquote von 40 Prozent und mehr. «Das müssen wir ernsthaft hinterfragen: Muss der Grundschullehrer für Mathematik tatsächlich Analysis und Algebra können oder ist uns daran gelegen, dass der seinen Abschluss macht und zwar mit den Kompetenzen, die er von der ersten bis zur sechsten Klasse benötigt?» Günther-Wünsch sieht hier Änderungsbedarf. «Darüber sollten wir mit den Hochschulen in die Debatte gehen.»