Dokfilm zur Überwachungssoftware “Pegasus” steht im Mittelpunkt einer Ausstellung in der nbk-Galerie

Ist das noch Kunst oder ein Kommentar zur aktuellen Berichterstattung? Diese Frage werden sich all jene stellen, die es dieser Tage in die Galerie des Neuen Berliner Kunstvereins (nbk) in der Chausseestraße verschlägt. Unter dem Titel “Circles” ist dort die erste Einzelausstellung der vielfach preisgekrönten US-Filmemacherin Laura Poitras (großes Foto) in Europa zu sehen.

Staatliche Abhöraktionen

In der Schau wird unter anderem eine neue Videoinstallation präsentiert: “Terror Contagion” umfasst eine laufende Untersuchung der Rechercheagentur Forensic Architecture sowie einen begleitenden Film von Poitras. Sie setzen sich eingehend mit dem Einsatz der Überwachungssoftware Pegasus des israelischen Cyberwaffenherstellers NSO Group zur Verfolgung von Journalisten und Menschenrechtsaktivisten weltweit auseinander. Mit “Terror Contagion” dokumentiert Poitras die laufenden Ermittlungen von Forensic Architecture zur NSO Group und interviewt Betroffene, die mit NSO-Software Pegasus ins Visier genommen wurden.

Blick in die Ausstellung

Forensic Architecture (FA) ist eine an der Londoner Goldsmith University angegliederte Forschungsagentur, die Menschenrechtsverletzungen weltweit untersucht. Unklar ist, inwieweit FA mit jenem internationalem Rechercheverbund zusammengearbeitet hat, dessen Ergebnisse Anfang der zurückliegenden Woche für internationales Aufsehen sorgten.

Demnach sind hunderte Journalisten, Aktivisten und Oppositionelle weltweit offenbar Opfer umfassender staatlicher Abhöraktionen mithilfe der Überwachungssoftware Pegasus geworden. Das ergaben Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“, sowie von „Zeit“, NDR, WDR und 15 weiteren Redaktionen aus zehn Ländern. Wie die Medien am vergangenen Sonntag berichteten, sollen Geheimdienste und Polizeibehörden mehrerer Länder die Spähsoftware eines israelischen Unternehmens missbraucht haben, um damit die Mobiltelefone der Betroffenen anzuzapfen.

Israelisches Unternehmen

Die internationale Recherchegruppe konnte eigenen Angaben zufolge gemeinsam mit den Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International ein Datenleak mit mehr als 50.000 Telefonnummern auswerten. Diese wurden mutmaßlich seit 2016 zum Ziel möglicher Überwachungen durch Kunden des israelischen Unternehmens NSO Group. Die von der Firma entwickelte Überwachungssoftware Pegasus gilt unter Experten als das derzeit leistungsfähigste Spähprogramm für Handys und ist als Cyberwaffe eingestuft worden.

 Es ist demnach in der Lage, infiltrierte Mobiltelefone in Echtzeit auszuspähen und die Verschlüsselung von Messenger-Diensten wie WhatsApp oder Signal zu umgehen. Zu den betroffenen Telefonnummern zählen laut Bericht die Nummern von zahlreichen Journalisten weltweit. Darunter sind laut „Guardian“ auch Mitarbeiter der Nachrichtenagenturen AFP, Reuters und AP, der Zeitungen „New York Times“, „Le Monde“, „El País“ und der Sender Al-Dschasira, Radio Free Europe und CNN. Insgesamt konnten demnach mehr als 180 Nummern von Journalisten ausgewertet werden.

Laura Poitras (geboren 1964 in Boston, lebt in New York und Berlin) lehrte an der Yale University, New Haven/Connecticut, und der Duke University, Durham/North Carolina, und ist Vorstandsmitglied der Freedom of Press Foundation sowie Co-Initiatorin der journalistischen Dokumentarfilmplattform Field of Vision. 2012 wurde Poitras vom damals anonymen NSA-Whistleblower Edward Snowden kontaktiert. Aufgrund seiner historischen Enthüllungen berichtete Poitras in zahlreichen Reportagen über die globale illegale Massenüberwachung durch die US-amerikanische National Security Agency (NSA).

Geheime Programme

Die ist für das Abfangen, Entschlüsseln, Speichern und Analysieren der Kommunikation von Hunderten von Millionen Menschen auf der ganzen Welt verantwortlich. Diese Erkenntnisse dokumentierte Poitras in ihrem mit einem Oscar ausgezeichneten Film “Citizenfour” (2014). Im Jahr 2016 berichteten Poitras und ihre Kollegen Henrik Moltke und Cora Currier über weitere Enthüllungen aus dem Snowden-Archiv, die die Operation „Anarchist“ offenlegten. Das ist ein streng geheimes Programm des britischen Geheimdienstes GCHQ: Von der Spitze des Troodos-Gebirges auf dem Inselstaat Zypern aus fangen zwei Antennen vierundzwanzig Stunden am Tag Signale von Satelliten, Drohnen und Radaren im Mittelmeerraum ab. Sechs Filminstallationen zu diesem Thema sind ebenfalls Teil der Berliner Schau.

Datum: 19. Juli 2021, Text: BLZ/BAB-Redaktion, Bilder: Jan Stürmann, nbk/Jens Ziehe