Olympiareif geht anders: Schwimmer ziehen ihre Bahnen im Olympiabad, doch Großveranstaltungen sind wegen der maroden Tribünen undenkbar.

Ein kühler Tag im Mai: Geduldig ziehen die wenigen Schwimmer im wohltemperierten Wasser des Olympiabades ihre Bahnen. Ungeduldig sind die Mitglieder des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses bei ihrem Besuch vor Ort. Sie wollen wissen, was mit den maroden und gesperrten Tribünen des denkmalgeschützten Bades geschieht. Die parlamentarischen Kontrolleure sind auf „Baustellenfahrt“ durch die Stadt. Der Olympiapark ist ihre zweite Station.

Die Tribünen – weit mehr als ein Wermutstropfen im großen Topf der Sanierung des Olympiageländes. Abriss oder Umbau? Mehr als 30 Millionen Euro wären nötig, um das Baudenkmal nach zeitgemäßen Sicherheitsstandards zu modernisieren. Jörg Haspel, Berlins oberster Denkmalschützer, will sie erhalten. „Das ganze Gelände ist nicht nur eine Sportstätte von internationalem Rang, sondern auch ein weltweit einzigartiges Ensemble der Sport- und Architekturgeschichte“, sagt er. „Das Schwimmstadion samt seinen Tribünen gehört unbedingt dazu.“ Der ewige Clinch zwischen Denkmalschutz- und Baubehörde: Was ist notwendig erhaltenswert, was sinnvoll machbar? Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) bleibt vage: „Wir diskutieren, sind noch ganz am Anfang.“ Ohnehin seien dort auch zukünftig keine Veranstaltungen mit Publikum geplant. Eine Umnutzung sei denkmalrechtlich kaum genehmigungsfähig, heißt es. Vielleicht wären Durchbrüche zur Liegewiese möglich…

Natur kehrt zurück

Im Becken ziehen Schwimmer ihre Bahnen, doch die Tribünen sind gesperrt.

Im Olympiabad hat sich in letzter Zeit einiges getan. Für knapp vier Millionen Euro wurden die Schwimm- und Sprungbecken, die technischen Anlagen, WCs und Umkleideräume saniert und im Sommer 2016 den Bäderbetrieben übergeben. Jährlich zieht es rund 350.000 Badegäste und Vereinssportler hierher. Die Anlage wird auch für den Schulsport und als Trainingsstätte genutzt. Und die Tribünen mit ihren 7.600 Plätzen? Letztmalig füllten sich ihre Ränge 1978 zu den Schwimmweltmeisterschaften. Seitdem erobert die Natur das Terrain zurück. So auch im benachbarten „Familienbad“.

Bis zu ihrem Abzug vor 23 Jahren tummelten sich hier die britischen Soldaten. Das gesamte nördliche Olympiagelände mit seinen imposanten Gebäuden war ihr Hauptquartier. Heute quaken im verwaisten Wasser des Naturbades die Frösche. Wohl nicht mehr lange: Nachdem die ursprünglich geplante Nutzung als Containerdorf für Flüchtlinge vom Tisch ist, sollen dort nach dem Willen des Senats zwei dringend benötigte Kunststoffspielfelder für verschiedene Sportarten und ein Funktionsgebäude entstehen. Dafür fließen neun Millionen Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds.

Mehr Raum

„Wir wollen den Sport jetzt. Ein Hallenbad wird es hier nicht geben“, sagt Sport-Staatssekretär Christian Gaebler (SPD). Er findet es „mutig“, dass der Denkmalschutz das Gelände als Reservefläche für eine spätere Schwimmhalle vorhalten will. Auch dieses Projekt hat viele Anhänger, weil es dem öffentlichen Schwimmsport im Winter mehr Raum geben würde. Die Diskussion geht weiter. Manche wünschen sich einen Masterplan für das historische Areal.

Text & Bilder: Jürgen Zweigert