Soziales: In der Notunterkunft in der Seestraße finden 59 obdachlose Menschen jede Nacht einen warmen Schlafplatz.

Minus acht Grad, Schnee und Eis, Berlin ist eine riesige Tiefkühltruhe. Für wohnungs- und obdachlose Menschen geht es in diesen eisigen Nächten oft ums nackte Überleben. Deshalb ist die Notunterkunft in dem ehemaligen Verwaltungsgebäude in der Seestraße für viele der letzte Zufluchtsort vor dem eisigen Winter. Bis zum 31. März finden sie hier 59 Schlafplätze und werden mit zwei warmen Mahlzeiten am Tag versorgt.

Hohe Standards

Jens wartet schon seit einer Stunde mit vielen anderen Obdachlosen vor der Tür, bis die Unterkunft um 19 Uhr endlich die Türen öffnet.„Letzte Nacht habe ich noch auf einer Isomatte in einer Kirche geschlafen. „Deshalb freue ich mich, heute endlich wieder mal in einem Bett schlafen zu dürfen“, sagt er. Auf zwei Etagen werden die Obdachlosen in Zwei- oder Mehrbettzimmern aufgeteilt. Hier bekommen sie Verpflegung, Lebenshilfe und medizinische Versorgung. „Diese Unterkunft ist durch seine hohen Standards aus dem letzten Jahr bekannt“, so Ingo Bullermann, Geschäftsführer des Trägers „Neue Chance“.

Die Gesellschaft für StadtEntwicklung (GSE) hat die Räumlichkeiten jetzt den zweiten Winter zur Verfügung gestellt. „Dadurch konnten wir die Kapazität an Schlafplätzen im Bezirk Mitte von 166 auf 215 erhöhen“, freut sich Ephraim Gothe, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Soziales und Gesundheit. Die Berliner Stadtmission oder die Caritas bieten weitere Plätze in der Lehrter Straße und in der Residenzstraße an. Finanziert werden diese größtenteils vom Bezirk Mitte, der einen Beitrag von 17,25 Euro pro Platz und Nacht an die Träger zahlt. Weitere Unterkünfte werden durch Spenden finanziert. „Ich schätze, dass wir mit den 215 Plätzen dieses Jahr gut hinkommen werden“, so Gothe. Allerdings wird es für die Einrichtung in der Seestraße der letzte Winter als Notunterkunft sein. Die GSE plant ein Kunstatelier, sowie eine Einrichtung für betreutes Jugendwohnen in dem Gebäude. Da sie aber bis Ende November noch keine Baugenehmigung erhielten, boten sie dem Bezirk das Haus erneut als Winterquartier für die Obdachlosen an. Bullermann wünscht sich zukünftig mehr Planungssicherheit. „Jedes Jahr müssen wir improvisieren und nach Orten suchen, in denen die Obdachlosen untergebracht werden können.“ Laut Bezirksstadtrat sei es schwierig, Unterkünfte zu finden, die nur im Winter genutzt werden können und im Sommer leer stehen. Seine Idee ist es, Kooperationsverträge mit Hotels für Rucksack-Touristen zu schließen, die im Sommer ihr Saisongeschäft betreiben und im Winter die Räume für Obdachlose zur Verfügung stellen.

Text und Bild: Marley Lackermann