Schicksal: Eine syrische Schwimmerin trainiert in Spandau für die Olympischen Spiele.

Es ist die Geschichte eines außergewöhnlichen jungen Mädchens: Yusra Mardini (18) floh über das Mittelmeer vor der Hölle des Krieges in Syrien und trainiert jetzt in Berlin bei den Wasserfreunden Spandau 04 für ihren großen Traum. Yusra will im August bei den Olympischen Spielen in Rio für eine internationale Flüchtlingsmannschaft (Refugee Olympic Athletes) bei den Schwimmwettkämpfen starten.

Dramatische Odyssee

Im September letzten Jahres begann die dramatische Odyssee von Yusra und ihrer Schwester Sarah (20). Über Beirut flogen sie nach Istanbul, von dort ging es weiter nach Izmir und anschließend entlang der Küste bis zu einer der Stellen, von denen die griechische Insel Lesbos nur noch einen Katzensprung entfernt ist. Dort mussten sie tagelang ausharren, bis die Schlepper kamen. Angst vor dem Meer hatten sie nicht, die Schwestern waren gut trainierte Schwimmerinnen des syrischen Nationalteams. 20 Menschen wurden in ein Boot gepfercht, das eigentlich nur Platz für sechs hatte. Nach einer halben Stunde fiel der Motor aus, das überfüllte Schlauchboot drohte zu sinken. Die beiden jungen Frauen kämpften in den riesigen Wellenbergen um ihr Leben und retteten mit einer Heldentat das Leben der anderen Flüchtlinge. Sie sprangen ins Wasser und zogen mit letzter Kraft das leck geschlagene Boot stundenlang ans griechische Ufer. „In dieser Nacht habe ich das Meer gehasst“, sagt Yusra heute.

Weltoffene Mädchen

Über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn, Österreich schlugen sich Yusra und Sarah über die Balkanroute nach München durch. Von dort ging es weiter nach Berlin. „Die zwei lachen mich manchmal aus, wenn ich ihnen Fragen über zu Hause stelle“, sagt Trainer Sven Spannekrebs. „Das sind zwei tolle Mädels, intelligent und weltoffen. Die hatten zu Hause die gleichen Freuden und Sorgen wie Gleichaltrige hier, nutzen Instagram, lieben Markenklamotten und haben Vorstellungen vom Leben wie wir.“ Die Eltern hätten Yusra und Sarah sehr tolerant erzogen und ihnen beigebracht, dass es keinen Unterschied zwischen Arabern, Amerikanern oder Europäern, Muslime oder Christen gibt. „Wir sind alle Menschen, die entweder nett oder nicht nett sind“, sagt Yusra. Neben den Olympischen Spielen in Rio hat die Schwimmerin noch einen zweiten Traum: Sie möchte gern Pilotin werden. Ihre Schwester Sarah kämpft zurzeit mit der Bürokratie, um den Rest der Familie nach Deutschland zu holen. Im Juni wird das endgültige Aufgebot der Flüchtlingsmannschaft vom Internationalen Olympischen Komitee bekannt gegeben – bis dahin muss Yusra Mardini noch viel trainieren.

Anke Walter / Bild: Mirko Seifert