Die Reaktivierung der ungenutzten U-Bahn-Tunnel und Gleisanlagen ist derzeit nicht geplant – Tram und Radwege stehen mehr im Fokus.

Wunderbare U-Bahn-Zeiten: Der Klassenfeind im Osten der Stadt besaß die S-Bahn-Hoheit, der Westteil setzte auf den Ausbau seiner unterirdischen Verkehrsmittel. Er plante opulent. Denn es floss reichlich Geld vom Bund, mehr als eine Milliarde DM lagen Anfang der 80er-Jahre dafür bereit. Verwegen verschwanden die Tram-Trassen, rund 350 Kilometer. Die U-Bahn sollte es richten: Ihr Vortrieb wurde forciert; architektonisch eindrucksvolle Bahnhöfe entstanden. „Verkehrspolitisch damals durchaus nachvollziehbar“, sagt Verkehrs-Staatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne).

Zu teuer

Doch heute sei das eher Anlass für kontroverse Debatten um zukunftsfähige Verkehrskonzepte. Die Tram ist wieder „in“, auch die Radler kommen in den Senatsplänen zunehmend zu ihrem Recht. Nur der U-Bahn-Ausbau ist alles in allem in absehbarer Zeit nicht vorgesehen. Zu aufwändig, zu teuer, zu viele Risiken, ein Milliardengrab, heißt es; auch nach den Erfahrungen mit der „Kanzler-Bahn“. Kirchner: „Ein hochsensibles Thema, das wir aufgeklärt debattieren müssen. Vor allem dürfen wir die einzelnen Verkehrsträger nicht gegeneinander ausspielen.“ Die rasant wachsende Stadt brauche einen guten Mix aller möglichen Verkehrsarten.

Trassen schlummern

Die Spandauer würden eine Ausweitung der U7 begrüßen

Vielleicht doch in naher Zukunft auch wieder Hoffnung für die Unterirdische? Manches ist schon da, was ihren Ausbau stützt. Vielerorts unter der Stadt existieren 20 „Vorratsbauten“, einige noch aus Vorkriegszeiten, doch überwiegend rohbaufertig aus den 70er- und 80er-Jahren. Es sind Tunnel, Abzweigungen, Kehranlagen, Bahnhofsteile – vorgehalten für den Fall eines U-Bahn-Ausbau-Booms. Auch mit dem U-Bahnhof Rathaus Spandau sollte nach seiner Fertigstellung 1984 mehr geschehen: zunächst Endbahnhof für die aus Rudow kommende U 7; später dann auch Endstation für die U 2, die heute bis Ruhleben fährt. Aber dazu kam es nicht mehr. Genutzt werden nur die beiden innen liegenden Gleise für die ein- und abfahrenden Züge der U 7. Die zwei außen liegenden Gleiströge für die geplante Verlängerung dämmern verwaist dahin. Ein 600 Meter langer Tunnel unter der nördlichen Klosterstraße fungiert derzeit als Kehranlage für die U 7. Sichtbar intakte Bauten und Trassen, die der Ausgangspunkt für die U-Bahn-Anbindung der wachsenden Wohngebiete in Staaken und zum Falkenhagener Feld sein könnten.

Tram hat Vorrang

Doch Vorrang hat für Rot-Rot-Grün die Tram. Allerdings gäbe es „keine Denkverbote“, sagt Kirchner, auch nicht für die U-Bahn. Für eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur bleibe sie ein wichtiges Verkehrsmittel. Auf der Prüfliste stehen beispielsweise die Verlängerung der U 8 ins Märkische Viertel, der U 7 von Rudow zum Flughafen Schönefeld, der U 9 von der Osloer Straße rüber nach Pankow. „Prüfliste“ – da fährt morgen noch kein Zug, denn die Planungs- und Realisierungszeiten für Verkehrsprojekte sind extrem lang. So dürfen wohl auch die „Vorratsbauten“ noch sehr lange weiterschlummern.

Text & Bilder: Jürgen Zweigert