Mit der erstmaligen Aktion sollen die Hilfsangebote verbessert werden.
Menschen, die in Schlafsäcken auf dem Boden kauern oder um Geld betteln: Am Bahnhof Lichtenberg, am Moritzplatz, am Bahnhof Zoologischer Garten und an vielen anderen Orten der Stadt sind sie alltäglich. Gerade an kalten Tagen sind Obdachlose großen Gefahren ausgesetzt: Drei Menschen starben im vergangenen Jahr in Berlin den Kältetod. Alle drei waren ohne festen Wohnsitz.
10.000 Betroffene
Zwar gibt es im Rahmen der Berliner Kältehilfe rund 1.145 Plätze in Notübernachtungsstätten. Davon waren laut Behörden zuletzt knapp 890 belegt. Auch der Kältebus der Berliner Stadtmission leistet zwischen dem 1. November und 31. März wichtige Hilfe. Doch mit diesen Angeboten wird nur ein Teil der Betroffenen erreicht. Über die Zahl der Obdachlosen in der Hauptstadt kursieren allenfalls Schätzungen. Demnach leben zwischen 4.000 und 10.000 Menschen auf Berlins Straßen. Um künftig besser einschätzen zu können, wo welche Hilfe gebraucht wird, führt Berlin nach Paris und New York am 29. Januar als erste deutsche Stadt eine Obdachlosenzählung durch.
Hilfen organisieren
Dabei sollen die Befragten zugleich über Hilfsangebote informiert werden. Eingebunden sind Verbände, Ehrenamtliche oder auch Forschungseinrichtungen. In Zukunft ist geplant, einmal im Winter und einmal im Frühjahr zu zählen. „Je genauer wir wissen, wie viele Menschen auf der Straße leben, welche Sprache sie sprechen und welches Geschlecht sie haben, desto besser können wir die Hilfen für sie organisieren, sei es mit Dolmetschern in der Straßensozialarbeit, mit Schlafplätzen für Frauen oder mit speziellen Beratungsangeboten“, erklärt Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke).
Freiwillige Teilnahme
Wohlfahrtsverbände und Sozialarbeiter fordern seit Langem eine statistische Grundlage, um Menschen ohne festen Wohnsitz das ganze Jahr über passende Unterstützung anbieten zu können. Sie wollen etwa wissen, wie viele Männer und Frauen auf der Straße leben, welche Sprachen sie sprechen und wie alt und gesund sie sind. Rund 1.600 freiwillige Helfer haben sich für die Zählaktion angemeldet. An Schwerpunktorten wie dem Kottbusser Tor werden nur Teams mit erfahrenen Mitstreitern unterwegs sein. Das Beantworten von Fragen sei für Obdachlose freiwillig, so die Initiatoren. Wer nicht mit den Teams reden möchte, wird nur gezählt. Wer schläft, wird in Ruhe gelassen. Wer sich versteckt, wird nicht gesucht.
Für Helfer gibt es zahlreiche Verhaltensregeln: Sie dürfen ihre Einsätze weder mit Fotos noch mit Posts in sozialen Netzwerken dokumentieren. Namen und Daten dürfen nicht an Dritte weitergeben werden. Das Anmeldeverfahren für die Zählung während der „Nacht der Solidarität“ ist beendet: Wer sich darüber hinaus für obdachlose Menschen engagieren möchte, kann sich in sozialen Hilfeeinrichtungen melden, oder auch bei den Wohlfahrtsverbänden und bei der Kältehilfe. Manchmal genügt es schon, Polizei oder Rettungskräfte zu verständigen, wenn man Obdachlose antrifft, die Hilfe benötigen. Mehr dazu ist beim Senat und der Berliner Stadtmission zu erfahren.
Datum: 9. Januar 2020, Text: nm/red, Bild: imago images/Rolf Zöllner