Investor will mehr Gewerbe und weniger Wohnen am und im leer stehenden Hochaus in Kreuzberg

Seit rund einem Jahr steht das alte Postscheckamt nun leer. Entstehen sollen dort im Rahmen der Großprojekte „XBerg Tower“ und „Hymat“ Wohnungen und Geschäftsräume, doch das kann noch eine ganze Weile dauern: Der Investor, der auch geförderten Wohnraum am Standort errichten will, und der Bezirk kommen nicht auf einen grünen Zweig. Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen, die Positionen verhärten sich zunehmend. Erst recht, seit sich das Gleichgewicht der Pläne in Richtung Gewerbeflächen verändert hat.

Auch geförderter Wohnraum

Die CG-Gruppe, die auch für die Bauprojekte an der Rigaer Straße oder am Steglitzer Kreisel verantwortlich zeichnet, plante ursprünglich, in dem knapp 90 Meter hohen Turm Apartmentwohnungen und Büros sowie Infrastruktur von Büros über Boarding bis hin zum Fitnessstudio entstehen zu lassen. Auf dem Gelände drum herum sind weitere Gebäude mit Kitas, Hotel und geförderten Sozialwohnungen vorgesehen. Insgesamt sollten 710 Wohnungen entstehen, 182 davon mit Mietpreisbindung, weitere mit „gedämpften Mieten“. Letztere sollen nach den zwischenzeitlich veränderten Plänen jedoch komplett wegfallen. Das Unternehmen will nur noch rund 570 Wohnungen bauen, zu Gunsten von mehr Büros und Gewerberäumen. Bleiben soll es allerdings bei den 182 geförderten Wohnungen mit entsprechender Mietpreisbindung.

Beim Bezirk und in der Politik kommt dies alles nicht gut an. Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) teilte der CG-Gruppe nach Angaben des Bezirks im März mit, dass die Mehrheit der im Stadtentwicklungsausschuss vertretenen Fraktionen der geplanten Konzeptänderung nicht zustimmen könne. Das Bebauungsplanverfahren werde nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die CG-Gruppe am ursprünglich vorgesehenen Nutzungskonzept festhalte.

Nachfrage nach Gewerberäumen gestiegen

Deren Vorstandsvorsitzender Christoph Gröner ist angesichts der Lage verärgert. Wenn seiner Gruppe beim Bau von Wohnungen im alten Postturm so viel Scherereien bereitet würden, dann werde man es eben sein lassen und stattdessen Büros vermieten, wurde er kürzlich von der Immobilien-Zeitung zitiert. Gegenüber dem Berliner Abendblatt bleibt er diplomatischer. Als Vorstandsvorsitzender eines Unternehmens, dessen größter Anteilseigner börsennotiert sei, müsse er nach der bestmöglichen Lösung suchen. Die Nachfrage nach Räumen für Gewerbe sei gestiegen, dieser Nachfrage werde man mit den neuen Plänen gerecht. Dem Bezirk wirft er vor, die CG-Gruppe rund zwei Jahre lang hingehalten zu haben, ohne dass ein Bebauungsplan beschlossen worden sei. Jetzt, da das Unternehmen die Pläne geändert habe, gebe es immerhin eine Reaktion. Trotz der unterschiedlichen Ansichten bleibe man im ständigen Kontakt mit dem Bezirk, um gemeinsam eine Lösung für das Projekt zu finden.

So ganz trifft Christoph Gröner es nicht mit seiner Darstellung, es sei nichts passiert: Der Aufstellungsbeschluss des neuen Bebauungsplanes wurde im November 2015 gefasst, der erste förmliche Schritt des Verfahrens, die frühzeitige Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, erfolgte im November 2017. Ob das hätte schneller gehen können oder müssen, ist eine andere Frage.

Langfristiges Engagement

Fest steht, es muss ein Kompromiss her, denn ansonsten bleibt das Gelände ein lebloser, für die Stadtentwicklung in Zeiten akuter Wohnungsarmut ziemlich überflüssiger Bürokomplex aus den 60er-Jahren, der sich angesichts der ständig steigenden Grundstücks- und Immobilienpreise bestens als Spekulationsobjekt für andere Investoren eignet, gegen welche die CG-Gruppe wie ein Waisenknabe wirken wird. Nach Angaben von Geschäftsführer Gröner sind die Auftraggeber des Unternehmens in der Regel institutionelle Investoren, die an langfristigen Engagements interessiert seien. Ob das auch auf einen Käufer des Geländes zutreffen würde, sollte die CG-Gruppe doch irgendwann das Interesse an dem Projekt verlieren, ist ungewiss. Die Politik wird dies als mögliche Folge im Blick behalten müssen. Doch auch die CG-Gruppe wird sich kompromissbereiter zeigen müssen. „Wir sind Projektentwickler, und wenn man uns lässt, werden wir entwickeln“, versichert Christoph Gröner. „Aber Fakt ist, dafür brauchen wir einen Bebauungsplan.“ Ohne eine Annäherung an die Politik wird das kaum erreichbar sein. – am Ende wird eine Lösung stehen müssen, mit der beide Seiten leben können.

Text/Bild: Oliver Schlappat