Scharfenberger Gymnasiasten und Lehrer müssen oft selbst auf ihre Insel rudern.
„Fährmann, hol über!“ – tägliches Ritual am Westufer des Tegeler Sees: Vom Schwarzen Weg sind es knapp 50 Meter Wasserweg rüber zur Insel Scharfenberg. Eine Naturschutz-Idylle, die seit 1921 ein staatliches Gymnasium mit Internat und eine Schulfarm beherbergt. Zwar hat das gut 200.000 Quadratmeter große Eiland nur zehn Dauerbewohner – doch wie diese auch sind mehr als 500 Schüler täglich auf einen funktionierenden Fährbetrieb angewiesen.
Alle lieben die Besonderheit ihrer Insel – eine kleine, romantische Traumwelt, dem Alltäglichen entrückt und doch mittendrin. Ein quirliger Lernort, auf dem hochbegabte Kinder und Jugendliche während der Ferien auch regelmäßig in den „Humboldt-Sommercamps“ und der „JuniorAkademie Berlin“ lernen, forschen, experimentieren.
Regelmäßige Ausfälle
„Fährmann, hol über!“ – tägliches Ritual? Mitnichten. Immer häufiger gibt es Tage, an denen die Schüler vergebens am Anleger in Tegelort stehen. Die Fähre fällt aus. Sie ist kaputt, heißt es. Mitunter ist auch der Fährmann krank; dann wird ihr Ausfall mit „Personalengpässen“ begründet. Die Jugendlichen nehmen es meistens sportlich, rudern dann schon mal selbst rüber oder ihre Eltern greifen in die Riemen. Das macht vielen sogar Spaß, so lange das Wetter es zulässt. Doch der Spaß hört auf, wenn sogar Viertklässler rudern müssen – wie im Juli während des Sommercamps geschehen. Und mit sinkenden Temperaturen sinkt auch die Begeisterung für solchen Sport außer der Reihe. Ganz abgesehen von den potenziellen Gefahren für Klein und Groß. Zweifelsohne kein Dauerzustand.
Größere Probleme
Überraschend kam diese Situation nicht. Ganz im Gegenteil wird sie seit Jahren sehenden Auges durch die Behörden geschleppt. Der Reinickendorfer CDU-Wahlkreisabgeordnete Stephan Schmidt verfolgt das Geschehen aufmerksam, führt Buch über die Ausfälle, verlangt Auskunft vom zuständigen Bildungssenat Er sagt, dieser bekomme das Scharfenberger Fährproblem nicht in den Griff. „Noch im Januar stellte der Senat auf meine Anfrage hin technische Neuerungen, eine personelle Aufstockung und Kooperation mit privaten Fährbetreibern in Aussicht. Passiert ist seitdem nichts. Immer wieder wurde der Fährbetrieb zeitweise eingestellt“, kritisiert er und fordert konkrete Termine, wann die Mängel endlich behoben sein werden.
Weiterer Bedarf
Gleiches gelte im Übrigen auch für die Beleuchtung des Schulparkplatzes und der Bushaltestelle mitten im Wald. „Kann doch nicht so lange dauern, ein paar Kabel zu verlegen“, moniert Schmidt. Das alles sei ein verantwortungsloses Nicht-Handeln gegenüber Schülern und Lehrern. Kritik offenbar angekommen: Gerade im Winter muss auf die Fähre Verlass sein, Rüberrudern ist dann ja unmöglich, heißt es aus dem Bildungssenat. Deshalb wurde zum 1. November eine dritte Fährmannsstelle ausgeschrieben und sollen zum Januar 2018 zwei weitere Fährhelfer eingesetzt werden.
Auch den technischen Zustand der Fähre habe man im Blick, um ihr reibungsloses Funktionieren besser abzusichern. Ob allerdings mit Schulbeginn nach den Herbstferien bereits alles paletti ist, bleibt offen – bis Ende Oktober war über die Eignung potenzieller Fährmänner oder Fährfrauen nichts entschieden. Wir hoffen, dass am Montag niemand das Ruder in die Hand nehmen muss.
Jürgen Zweigert, Bilder: Imago / Jürgen Ritter