Wie eine Denkmalschutzbehörde ein Denkmal nicht beschützt

Aus einem leer gezogenen Haus in der Sellinstraße dröhnt das Wummern schwerer Hämmer. Schutt landet im Container. Es staubt, die heiße Berliner Luft flirrt – nicht nur der Hitze wegen, sondern weil in selbiger der Verdacht liegt, dass hier – im Zuge von Modernisierungsarbeiten – die teilweise Zerstörung eines wichtigen Baudenkmals weiter geht. Das auf Grundlage einer Lüge und einer für Denkmalschutz zuständigen Behörde.

Kurz zur Erinnerung: Ende Juni berichteten wir in unserer Printausgabe unter dem Titel „Die Speisekammer des Schreckens“ erstmals über die Vorgänge im Kissingenviertel. Diese kleinen Kammern – markanter Bestandteil vieler der 256 denkmalgeschützten Wohnungen in und um die Sellinstraße herum – sind für die Gesobau zum Schrecken geworden, weil sich eine Mieterinitiative nicht einfach mit deren Abriss abfinden wollte. Der Protest führte zu einer denkwürdigen Diskussionsrunde, an der neben 20 Mietern unter anderem je ein Vertreter von Gesobau, Landesdenkmalamt, der Baufirma Retis sowie mit Kerstin Lindstädt die Chefin der Unteren Denkmalschutzbehörde Pankow teilnahmen.

Kein Abrissstopp

Letztere spielt eine entscheidende Rolle in dieser Posse, hatte sie doch 2016 den Abriss der Speisekammern genehmigt. Am Ende der Runde wollte Frau Lindstädt einen Abrissstopp nicht aussprechen, stellte den aber in Aussicht, falls ein Sachverständiger für technische Gebäudeausrüstung (TGA) überzeugend darlegen könne, dass eine finanziell vertretbare Modernisierung der Bäder und Küchen ohne Abriss der Speisekammern möglich sei.

Am 4. Juli. erschien zum mit Frau Lindstädt verabredeten Ortstermin unter anderem auch die Gesobau in Kompaniestärke mit Co-Geschäftsführer Lars Holborn an der Spitze. Was sie nicht ahnten: Der Mieterinitiative war es tatsächlich gelungen, einen Sachverständigen zu finden. Nicht irgendeinen, sondern mit Ralf Masuch den Bundesfachbereichsleiter TGA des Bundesverbandes öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger. Er freut sich schon auf das Gespräch mit der Denkmalschützerin und hat sich entsprechend gewissenhaft in die Planungsunterlagen eingearbeitet.

Doch Ralf Masuch wird, wie er mir später am Telefon erklärt, enttäuscht, denn Frau Lindstädt versucht gar nicht, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Stattdessen bespricht er mit dem Geschäftsführer der ausführenden Baufirma Retis, Vertretern verschiedener Gewerke und Mietern das weitere Vorgehen, um dem Denkmalschutz gerecht zu werden.

Einige Einschränkungen

Wir nähern uns dem vorläufigen Finale: Am 9. Juli erhält die Untere Denkmalschutzbehörde per E-Mail ein Schreiben der Gesobau. In diesem steht, dass mit Herrn Masuch „eine Möglichkeit zur Durchführung der Strangsanierung mit dem Erhalt der Speisekammer gefunden werden konnte.“ Diese Variante habe allerdings einige Einschränkungen. So heißt es zum Beispiel: „Keine Steckdosen in den Bädern des Erdgeschosses und überwiegend 1. Obergeschosses (Unterschreitung des Schutzbereiches für Elektroinstallationen von 60 cm).“

Am 12. Juli teilt Kerstin Lindstädt der Gesobau mit: „Wir können nachvollziehen, dass Bäder ohne Steckdosen für Bewohner nicht zumutbar sind und stellen deshalb unsere Bedenken gegen den Abbruch der Speisekammern zurück“. Das Berliner Abendblatt tat dann das, was die Behördenchefin Lindstädt längst hätte tun können – oder müssen. Von Gutachter Masuch hätte sie erfahren, dass Steckdosen in den Bädern sehr wohl möglich sind. Aber das wollte sie wohl gar nicht wissen.

Datum: 05.08. 2018 Bild und Text: Ulf Teichert