Zu Besuch im Tiny Houses-Dorf auf dem Bauhaus Campus.
„80 Quadratmeter, Top Lage, 1.000 Euro Miete“. Gerade erst machte eine Wohnungsbesichtigung in Prenzlauer Berg Schlagzeilen, die sage und schreibe 800 Interessenten anlockte. Nur ein Beispiel dafür wie selten bezahlbarer Wohnraum in der Hauptstadt mittlerweile ist – und wie begehrt. Einen anderen Weg gehen die Macher der „Tinyhouse-University“. Mitten im Herzen Berlins, an der Klingelhöferstraße, unweit der Deutschlandzentrale der Wirtschaftsprüfer von KPMG, entsteht seit einigen Monaten ein kleines Dorf aus Mini-Häusern. Gründer und Architekt des Kollektivs Van Bo Le-Mentzel machte bereits vor einiger Zeit mit seinen Entwürfen von Hartz IV-Möbeln von sich reden. Für 24 Euro können sich Arbeitssuchende und alle, die mit wenig Geld auskommen müssen, beispielsweise Stühle oder einen funktionalen Esstisch kaufen.
Tiny Houses
Minimalismus und Qualität schließen sich dabei keineswegs aus. Dieses Prinzip setzte Van Bo Le-Mentzel dann auch in seinen Tiny Houses fort. Startschuss des Projekts am Bauhaus Campus war seine 100-Euro-Wohnung, ein Tiny House auf Rollen, ausgestattet mit Badezimmer, Dusche, Toilette und Kochnische, auf maximal zehn Quadratmetern. Mittlerweile stehen rund zehn dieser Mini-Häuser auf dem Gelände des Bauhaus-Archivs in Tiergarten. Noch bis zum kommenden März darf das Kollektiv aus Bildungsaktivisten, Architekten, Künstlern und Studenten hier wohnen. Dabei findet sich hier tatsächlich alles, was es für ein funktionierendes Dorfleben braucht.
Im New Work Studio kommen die Bewohner zu Meetings und Besprechungen zusammen, im Café Grundeinkommen gibt es frischen Kaffee und vegane Muffins und nebenan wird gerade ein Tiny House zur Schule umfunktioniert. Dazwischen hat sich vor einigen Wochen Leonardo di Chiara aus Italien mit seinem fahrbaren Mini-Haus „aVoid“ niedergelassen. „Für mich war es wichtig, dass es sich gut transportieren lässt und ich schnell von hier nach Italien oder an einen anderen Ort gelange.“ Während sich der angehende Architekt bei seiner Ausstattung für ein minimalistisch-elegantes Design entschied, mag es seine neue Nachbarin, eine Künstlerin, die sich gerade ihr Mini-Haus „im Bohemien-Stil“ einrichtet, lieber gemütlich. Das Holy Foods House lud im Sommer zu gemeinsamen Essen ein und im Mini-Haus auf dem Parkplatz des Campus hat sich der Pressesprecher des Kollektivs, Oliver Pritzkow, niedergelassen.
Führungen durchs Dorf
Er führt Interessierte jeden Montag, um 15 Uhr durch das „Dorf“ und hat sich langsam an das Leben auf kleinstem Raum gewöhnt, „auch wenn man sich bei den vielen Besuchern manchmal wie im Zoo vorkommt“. Langfristig kann er sich das Leben auf kleinstem Raum aber nicht vorstellen. Anders Van Bo Le-Mentzel, der davon ausgeht, dass in Zukunft viel mehr Tiny Houses in den Großstädten zu finden sein werden: „Der Wohnraum wird einfach immer knapper, da muss man sich Alternativen überlegen.“ Auch viele Flüchtlinge und Obdachlose kommen vorbei, um der Enge der Notunterkünfte zu entgehen und in Ruhe schlafen zu können. Der Bau eines Mini-Hauses kostet rund 50.000 Euro. Wer sich erstmal von den Tiny Houses überzeugen möchte, hat dazu noch bis zum Frühjahr 2018 Gelegenheit.
Text & Bild: Katja Reichgardt