Start-Up: Fünf Senioren schmeißen jetzt den Laden.
Im NOE-Markt in der Fanningerstraße gibt es Wurst, Käse, Butter, Getränke, Kosmetika und allerlei Geschenkartikel. Vor dem Eingang werben Schilder für Coffee-to-Go, Honiggurken und Speiseeis. Ein Laden eigentlich wie viele andere auch – allein die Betreiber sind doch etwas ganz Besonderes. Seit April des Jahres ist ist die 72-jährige Brigitta Nöthlich die Inhaberin und damit eine der ältesten Unternehmensgründerinnen, die die die Statistik der Berliner Start-Up-Gemeinde listen dürfte. Auch ihre vier Angestellten, die ihr im 40 Quadratmeter kleinen Laden behilflich sind, bringen reichlich Lebensreife in den Job mit ein. Die Rentner Burkhard Strehlow (68), Manfred Wanka (77), Monika Wolf (65) und Jürgen Dietrich (74) wohnen allesamt in Karlshorst und schmeißen jetzt den Laden hier nördlich des Bahnhofs Lichtenberg. Keiner von ihnen war zuvor im Einzelhandel tätig – doch statt Nachmittagsfernsehen oder Bingo-Runden gönnen sich die Senioren hier lieber diese sinnvollere Beschäftigung.
„Es ist auch ein Experiment. Mir hat es gereicht, immer nur davon zu hören, dass die Discounter und Supermärkte überall in den Vierteln schließen und die Senioren immer weitere Wege auf sich nehmen müssen, um Lebensmittel einkaufen zu können“, so die Unternehmerin, die sich in Lichtenberg auch schon seit vielen Jahren in der Lokalpolitik engagiert. „Von Senioren für Senioren“ lautet das Motto des kleinen Marktes in der Fanningerstraße 58, den die gelernte Finanzbuchhalterin zu guten Konditionen von der Howoge anmieten konnte. „Wenn´s klappt, möchte ich bis zu acht weitere Läden mit diesem Konzept aufziehen“ so die umtriebige Lichtenbergerin, die gerne in Karlshorst dieses Projekt gestartet hätte. „Dort wäre der Bedarf ja im Prinzenviertel nach der Schließung des Discounters besonders groß gewesen – aber da konnten wir keine Räume zu bezahlbaren Konditionen bekommen“, erklärt Nöthlich. Noch lässt der Umsatz im Laden zu wünschen übrig – aber die Senioren geben sich weiterhin zuversichtlich. Ihre selbst auferlegte Testphase läuft noch bis zum 1. Oktober. Bis dahin wollen sie es schaffen, genügend Umsatz und Gewinn zu generieren, um die avisierten Gehälter von 8,50 Euro netto für alle Angestellten erwirtschaften zu können. „Die gerechte Bezahlung gehört zum Konzept“, so die Chefin, die sich für den Ladennamen sogar die Markenrechte beim Patentamt hat sichern lassen. Im Moment gibt es zusätzlich zum Lebensmittelverkauf noch Geschenkartikel und Antiquitäten im Angebot – und einmal wöchentlich berät sie als Lokalpolitikerin auch die Senioren in einer eigenen Sprechstunde im hinteren Teil des Ladens.
Autor/ Bild: Stefan Bartylla