Jeder Siebente im Stadtteil kann seine Rechnungen nicht bezahlen.
Immer mehr Einwohner für Berlin, immer mehr Touristen – der Hauptstadt-Boom hält an. Und doch kann jeder achte Berliner, und sogar jeder siebente Bewohner aus Kreuzberg, seine Rechnungen nicht bezahlen. 373.221 volljährige Berliner gelten als überschuldet, nehmen also monatlich weniger Geld ein als sie für die Tilgung ihrer Schulden benötigen. Das geht aus dem jüngst veröffentlichten Schuldneratlas der Wirtschaftsdatenbank Creditreform hervor.
Kein Rückgang in Kreuzberg
Zwar waren im Vergleich zum Vorjahr 3.000 Personen weniger in Berlin verschuldet. Die Zahl der Schuldner in ganz Deutschland ist gleichzeitig um 1,9 Prozent gestiegen. In Kreuzberg (und auch in Steglitz) fiel der Rückgang der Schuldnerquote jedoch fast unmerklich aus. Beide Stadtteile unterscheiden sich trotz dieser Gemeinsamkeit aber grundlegend. So verzeichnet Kreuzberg eine stark überdurchschnittlich hohe Verbraucherüberschuldung (Schuldnerquote 14,08 Prozent), während die Verbraucherüberschuldung in Steglitz eher gering ist (9,07 Prozent). Der Finanzdienstleister begründet die allgemein positive Entwicklung in der Hauptstadt mit der „anhaltend guten Wirtschaftslage“ und einer stark sinkenden Arbeitslosigkeit. Zwischen Oktober 2015 und Oktober 2016 ging die Zahl der Arbeitslosen um 8,5 Prozent zurück. Doch ganz so rosig sind die neuen Zahlen nicht. So liegt die Schuldnerquote, also das Verhältnis der überschuldeten Personen zur Bevölkerungszahl, in Berlin aktuell bei 12,7 Prozent, bundesweit dagegen nur bei zehn Prozent. Dazu kommt, dass gerade die Gruppe der Schuldner, die es zum Beispiel mit Privatinsolvenz besonders hart trifft, in Berlin seit Jahren kontinuierlich zunimmt – allein im Vergleich zum vergangenen Jahr um 2,8 Prozent.Der Stadtteil Wedding bleibt Schulden-Spitzenreiter. Und das seit Jahren. 18,1 Prozent aller dort Wohnenden Berliner sind überschuldet, gefolgt von Hellersdorf (15,92 Prozent), Spandau (15,81 Prozent) und Neukölln (15,61 Prozent). Positivspitzenreiter sind auch im Jahr 2016 die Stadtteile Zehlendorf (7,49 Prozent) und Wilmersdorf (8,83 Prozent) mit den niedrigsten Schuldnerquoten.
Die Schuldnerquote der Berliner Männer liegt etwa doppelt so hoch wie die der Frauen. So gelten den aktuellen Berechnungen zufolge 16,62 Prozent der Männer und 8,78 Prozent der Frauen als überschuldet. Bundesweit erreichen die Überschuldungsquoten bei den Männern 12,72 Prozent und bei den Frauen 7,55 Prozent. Im Stadtbezirk Wedding weisen sogar 24,54 Prozent der Männer Überschuldungsmerkmale auf, gefolgt von Tiergarten (21,31 Prozent). Altersüberschuldung wird auch in Berlin mehr und mehr zu einem Thema. Die Creditreform Daten zeigen für die Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen hohe Schuldnerquoten in Kreuzberg, Wedding und Tiergarten. Mancherorts weist diese ältere Menschen schon die zweithöchste Überschuldung aller Altersgruppen auf. Wege aus der Schuldenfalle im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bieten etwa der AWO Berlin Spree-Wuhle e.V., Yorckstraße 4-11 (Tel. 90 298 36 94 ), und das Diakonische Werk Stadtmitte e.V., Schlesische Straße 27a (Tel.: 69 16 07 8/9). Weitere Anlaufstellen finden sich im Internet.
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