Angerburger Allee: Die Straße mit Berlins höchstem Anteil an Rentnern liegt mitten in Westend.

Karamelläpfel auf Blätterteig oder Johannisbeer-Mascarpone-Tarte gibt es hier nicht. Aber Klassiker wie Plunder, Mandelhörnchen, Torten und Frankfurter Kranz – die Gäste des Café Cosima wünschen es so. Der Großteil ist über 65 Jahre alt und wohnt nur ein paar Schritte vom Café entfernt. Sie sind Bewohner der Siedlung Belvedere in der Angerburger Allee, wenige Minuten vom S-Bahnhof Pichelsberg entfernt. Eine besondere Straße mitten im grünen Westend.

Mit Bergblick

Jeder zweite Bewohner der 920 Meter langen Allee ist im Rentenalter. So viele wie in keiner anderen Berliner Straße, sagt der Sozialstrukturatlas der Senatsverwaltung. Der Großteil der Senioren wohnt in der Siedlung Belvedere mit ihren 832 Wohnungen in zehn Häusern. Vom 20. Stock der Angerburger Allee 47 kann man direkt auf den Teufelsberg schauen. Der Name Belvedere steht für ein Gebäude, das gebaut wurde, um einen schönen und weiten Ausblick zu ermöglichen. Die Allee selbst mündet direkt in den Grunewald. Geschichtsinteressierte können den britischen Soldatenfriedhof besuchen. Sportliebhaber reizt vielleicht ein Abstecher in den nahen Olympiapark.

Typisch Berlin

CR_LVS_SOT_CH2Ruhig ist es hier; viel Wald, viel Hund. Für Christina Lanzl (31), die Betreiberin des Café Cosima, ist „es ein Paradies hier. Ich habe hier lange gewohnt und gearbeitet“. Außerdem ist hier „Berlin noch Berlin“. Man trifft viele Alteingesessene, hier beheimatet seit Jahrzehnten. So auch Erika Grundkowski (82), die vor 46 Jahren gemeinsam mit ihrem heute 87-jährigen Mann in die Angerburger Allee zog. Für sie ist es ideal, denn sie „kann in Latschen einkaufen gehen“. Dass Ärzte, Cafés, Restaurants, Friseur mit Fußpflege und Einkaufsmöglichkeiten im Zentrum der Siedlung sind, machte die 1969 neu gebaute Siedlung für sie so attraktiv.

Dass alle Häuser Fahrstühle haben und die meisten Rampen zu den Eingängen, war ein Grund zu bleiben. Auch, als die Siedlung zunehmend verfiel und viele Wohnungen leer standen. Christina Lanzl findet, dass es „ähnlich einer Geisterstadt“ war. Dann kam eine neue Hausverwaltung, sanierte und „brachte Leben herein“. Auch der Spielplatz wurde neu hergerichtet.

Alter sinkt

Leerstand gibt es heute keinen mehr. Familien mit Kindern sind hergezogen. Die Gegend um die Angerburger Allee ist heute so attraktiv, dass viele Eigentumswohnungen gebaut wurden. Auf der anderen Straßenseite der Angerburger Allee, Ecke Tharauer Allee, direkt gegenüber der Siedlung, entsteht ein blütenweißes Wohngebäude für die Botschaftsangehörigen Saudi-Arabiens. Und eine Schule für die Kinder der Angestellten. Der Altersdurchschnitt sinkt. Lange wird die Angerburger Allee nicht mehr die „älteste Straße“ Berlin bleiben.

Text+Bild: Christina Praus