Drogenmobil soll Suchtkranken helfen und Anwohner schützen.

Der Kiez am S- und U-Bahnhof Neukölln hat ein Problem mit harten Drogen. Anwohner berichten von Suchtkranken, die sich im Hausflur einen Schuss setzen, ihr Spritzbesteck liegen lassen, die Treppen verschmutzen und Mieter anpöbeln. Ein ähnliches Bild herrscht rund um die Bahnanlage. Dort häufen sich obendrein Diebstähle und andere Straftaten. Mit einem Drogenkonsum-Mobil will der Bezirk jetzt die Lage entspannen. Dieses ist nur ein Bestandteil eines Maßnahmenpakets, mit der der Bezirk die Lage vor Ort erträglicher machen will.

Vor rund 200, teilweise aufgebrachten, Anwohnern haben Bezirksbürgemeisterin Franziska Giffey (SPD) und Gesundheitsstadrat Falko Liecke (CDU) den Plan jetzt vorgestellt. Voraussichtlich ab Juni soll das von dem Verein Fixpunkt betriebene Drogenkonsummobil an der Kirchhofstraße die Arbeit aufnehmen. Geplant ist, dass sich Junkies in dem weißen Lieferwagen an drei Tagen pro Woche, jeweils für vier Stunden, sauber und geschützt Drogen verabreichen und Spritzen entsorgen können. Daneben können sie sich beraten lassen, wie sie ihre Sucht überwinden können. Zudem sind seit März Straßensozialarbeiter unterwegs, die sich um Suchtkranke kümmern, aber auch Anwohnern als Ansprechpartner dienen. Außerdem will der Bezirk an sechs Standorten Behälter errichten lassen, die benutzte Spritzbestecke schlucken.

Mehr Elend

Die Anwohner in der voll besetzten Aula des Albrecht-Dürer-Gymnasiums, wo wegen der Junkies jetzt ein Wachschutz eingeführt wurde, reagierten mit gemischten Gefühle auf die Maßnahmen. Viele kritisierten die eingeschränkten Öffnungszeiten des Drogenkonsum-Mobils, dessen Nähe zu einer Kita und die Begrenzung des Projekts bis zum Jahresende. Giffey erwiderte, ein Betrieb an sieben Tagen müsse ermöglicht werden, allerdings nur bei finanzieller Unterstützung durch den Senat. Einige bezweifelten , dass das Drogenkonsummobil die zunehmende Verwahrlosung der vorwiegend aus Osteuropa stammenden Drogenkonsumenten stoppen kann, von denen viele mutmaßlich auf der Straße leben. So lautete ein Vorschlag, in der Nähe des S-Bahnhofs eine neue Obdachlosenunterkunft zu errichten. Im Sinne des „sozialen Friedens“ im Kiez forderte Giffey gegenüber der Drogenszene eine Mischung aus Repression und Prävention. Auch die Nachbarn könnten einiges tun. „Die Menschen in den Häusern müssen sich zusammentun und Straftaten oder aggressives Verhalten bei der Polizei melden“, so Giffey.

Abgewimmelte Anwohner

Gerade das ist offenbar leichter gesagt als getan. Anwohner berichteten, von den Beamten am Telefon abgewimmelt oder vertröstet worden zu sein, offenbar, weil Personal fehle. Der Bezirksverordnete Toni Pohl begrüßte die Einrichtung des mobilen Angebots. „Rein polizeiliche Maßnahmen führen nur dazu, dass sich die Drogenszene verlagert, das haben wir am Hermannplatz gesehen“, so der Linke-Politiker. Um die Situation am S- und U-Bahnhof Neukölln und anderen Hotspots zu entschärfen, brauche Berlin aber mehr fest eingerichtete Drogenkonsumräume. Derzeit gibt es lediglich zwei Standorte in Mitte und Kreuzberg. Andere Großstädte, etwa Hamburg, seien viel weiter.

Nils Michaelis, Bild: Thinkstockphotos/iStock/sodapix