Nach Anwohnerprotest: Gleimtunnel für Autofahrer geschlossen.
Alle Räder stehen still. Wenn dein starker Arm es will – diese Zeilen aus dem 1863 von Georg Herwegh gedichteten Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein kamen mir unlängst in den Sinn. Als mir eine zwischen Prenzlauer Berg und Gesundbrunnen pendelnde Kollegin mitteilte, dass der Gleimtunnel über Nacht nicht mehr mit dem Auto passiert werden konnte. Nur noch Radfahrer und Fußgänger dürften diese wichtige Verbindung zwischen Ost und West nutzen.
Ständiges Fehlverhalten
Weil die Berliner Wasserbetriebe im Mauerpark einen Stauraumkanal zwischen Bernauer und Gleimstraße durch den Berliner Untergrund getrieben haben, durften Autofahrer schon in den vergangenen Monaten diesen Tunnel nur einseitig von Pankow aus in Richtung Gesundbrunnen befahren.
Der zuständige Pankower Stadtrat für Stadtentwicklung, Vollrad Kuhn (Grüne), begründet die halbjährige Schließung des Tunnels mit „einer erhöhten Beschwerdelage“ von Anwohnern, war in unserem Schwesterblatt Berliner Zeitung zu lesen. Denn Autofahrer seien immer wieder von der falschen Seite in die Einbahnstraße gefahren. Die Polizei habe dieses Fehlverhalten von Autofahrern nach intensiver Überprüfung bestätigt und deshalb der Meinung gewesen, den Verkehrsrowdys mit normalen Kontrollen nicht mehr beikommen zu können. Deshalb sei die Vollsperrung beantragt worden.
Schlechte Kommunikation
Bereits am 6. Dezember hatte nach Information der zuständigen Senatsverwaltung die Berliner Polizei einen Antrag auf Sperrung des Tunnels bei der Verkehrslenkung gestellt. Warum die Berliner Verkehrsinformationszentrale (VIZ) erst einen Tag vor der Umsetzung darüber informierte, dies aber weder über die Medien noch in der betroffenen Nachbarschaft kommuniziert wurde, ist völlig unklar.
„Aufgrund einer Baustelle ist der Gleimtunnel ab dem frühen Nachmittag dann in beiden Richtungen bis voraussichtlich Ende Juni voll gesperrt“, hieß es bei der VIZ nur kurz und knackig. Fest steht jetzt, dass der nach dem Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim benannte Tunnel mindestens bis Ende Juni gesperrt bleiben wird. Dann sollen auch die oberirdischen Arbeiten für den Stauraumkanal beendet worden sein
Ursprünglicher Zustand
Der Gleimtunnel ist eigentlich eine 130 Meter lange und 23 Meter breite Unterführung, bestehend aus stählernen Gleisüberbauten, die von 78 gusseisernen Hartungschen Säulen getragen werden. Bedingt durch die Lage im Grenzsperrgebiet bis 1990 ist das Bauwerk noch in einem relativ ursprünglichen Zustand erhalten. So besitzen die meisten Säulen noch die Kapitell-Abdeckungen.
Über den Gleimtunnel führten die Zulaufgleise der von Norden kommenden Berliner Nordbahn parallel zur Schwedter Straße bis zur Bernauer Straße, wo sie in einem Kopfbahnhof, dem sogenannten Nordbahnhof endeten. Heute befindet sich unmittelbar vor dem Gleimtunnel auf der Gesundbrunnen-Seite die einzige Zu- und Abfahrt zum neuen Wohnquartier „So Berlin – Wohnen am Mauerpark“.
Datum: 18. Januar Text: Ulf Teichert Bild: imago/PEMAX