Jens-Holger Kirchner

 Bezirk: Stadtrat Jens-Holger Kirchner will sich für Bürgermeisteramt nicht verbiegen.

Dem schwedischen Romanhelden Nils Holgersson verdankt Jens-Holger Kirchner seinen Spitznamen. Als er in der Tischlerlehre öfter mit diesem Buch gesehen wird, rufen ihn Kameraden bald nur noch „Nilson“. Kirchner mag dies noch heute.

Zweiter Anlauf

Im Herbst will Nilson Bürgermeister werden. Im Bezirk Pankow, wo er sich bestens auskennt. Nach Prenzlauer Berg zog der gebürtige Brandenburger 1979, wohnt heute in Weißensee. In der Freizeit gern Hobbykapitän auf seinem Segelboot, hat er auch lokalpolitisch manchen Sturm gemeistert. 2001 trat er den Grünen bei, wurde im selben Jahr BVV-Vorsteher, ist seit 2006 Bezirksstadtrat – erst für Öffentliche Ordnung und Verbraucherschutz, jetzt für Stadtentwicklung, Tiefbau und Grünflächen. Manche loben ihn als „Rampensau“, doch er eckt auch an. Es ist Kirchners zweiter Sturm aufs Rathaus. Wenn ein Grüner im Auto-Land Baden-Württemberg Ministerpräsident werden konnte, so ist die grüne Szene in Pankow überzeugt, Nilson zum Bezirksbürgermeister zu machen. Tatsächlich gibt es Parallelen zwischen Winfried Kretschmann und Kirchner. Beide agieren pragmatisch, sind geradlinig, keine Parteisoldaten, haben ihren eigenen Kopf, lassen sich den Mund nicht verbieten.

Einem ehrlichen Streit geht Nilson nie aus dem Weg. Provoziert diesen oft sogar. So hängt ihm immer noch sein „Tagesspiegel“-Zitat an, dass direkte Demokratie „nicht unbedingt schlau sei“. Ein gefundenes Fressen für Widersacher aus der Bürgerinitiativen-Szene. Sein Eintreten für eine nüchtern abwägende Verwaltung und eine demokratisch gewählte Volksvertretung ging unter. Er bereut den Satz nicht, räumt aber ein: „Ich würde ihn heute anders formulieren.“

Mehr Mut

Kirchner hat den bundesweit beachteten Hygiene-Smiley für Gastro-Betriebe erfunden, die Parkraumbewirtschaftung nach Prenzlauer Berg gebracht und den Umbau der Kastanienalle ausgehalten. Ob Stadtverdichtung oder E-Mobilität. Nilson ist längst im Wahlkampfmodus. Pankow könne mehr als Schuldenabbau – brauche ein Leitbild für sein Wachstum. Kirchner wünscht sich dafür vom Senat mehr Mut. „Warum sollen wir nicht ernsthaft über die Verlängerung U-Bahnen nachdenken? Ein reiches Land wie unseres kann dies verkraften“, ist er überzeugt. Die U9 bis Pankow, die U2 bis Elisabethaue und die U3 bis Weißensee – das wäre sein Traum. Seine Ideen für die Straßenbahn: M1 und 50 bis Elisabethaue verlängern, M4 über Malchow nach Blankenburg, die 54 vom Pasedagplatz über S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf und Pankow bis zur heutigen M1-Endstation Schillerstraße. Und Kirchner ist offen für BVG-Pläne, O-Bussen zu einer Renaissance zu verhelfen.

Seinem Ruf als „Parkplatzkiller“ widerspricht Kirchner. Gerade habe er Bürgern der Michelangelostraße versprochen, die Zahl der von ihnen genutzten Stellplätze im Kiez komplett zu erhalten. Neue Wohnungen bekämen darüber hinaus Tiefgaragen. Wie Kretschmann im „Ländle“ weiß auch Fahrradfan Nilson: Wahlkämpfe sind hierzulande kaum gegen Autobesitzer zu gewinnen.

Michael Hielscher / Bild: Privat