Oliver Igel legt dreiseitige Liste mit rechtsextremen Taten vor.
Die Zahl rechtsextremer und diskriminierender Vorfälle haben im Bezirk in diesem und im vorangegangenem Jahr eklatant zugenommen. Nachdem schon in den Monaten Januar bis Mai die rechtsextremen Angriffe eine bedenkliche Zunahme erfahren hatten, gab es im Juni weitere alarmierende Höhepunkte. Zeitgleich tauchten in diesen Monaten immer mehr Schmierereien mit rechtsextremen Inhalten im Straßenbild des Bezirks auf.
Neues Ausmaß
Die Liste mit den Vorfällen in der ersten Jahreshälfte, die Stadtbezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) jetzt zusammenstellen ließ, umfasst inzwischen drei Schreibmaschinenseiten. Neben den Stadtteilen Plänterwald und Baumschulenweg sei insbesondere Adlershof als Tatort in den Vordergrund gerückt. In fast allen Köpenicker Stadtteilen übersteigen jedoch die derzeitigen Vorfallszahlen die Ereignisse des vergangenen Jahres.
Ein neues Ausmaß an Gewalt wurde erreicht, als die Wohnung einer geflüchteten Familie mehrfach angegriffen wurde. So wurde im Mai der Briefkasten der Familie zerstört, der Gartenzaun beschädigt und der Eingang mit Hundekot beschmutzt. Es folgten Beleidigungen in unmittelbarer Nähe des Wohnortes. Zuletzt wurden in der Nacht zum 23. Juni sogar Schüsse auf die Eingangstür abgegeben – die Metallkugeln durchschlugen zum Glück nicht die Tür. Verletzt wurde dabei niemand.
Klare Abgrenzung
Das Bezirksamt positioniere sich ganz klar gegen diese Entwicklung, sagte Oliver Igel nun auf Anfrage in der Augustsitzung der Bezirksverordnetenversammlung. „Wir wollen weiterhin gegen diese Vorgänge sensibilisieren und dazu motivieren, sich gegen diese Tendenzen zu stellen und Menschen gewinnen, die in der Öffentlichkeit zeigen, dass die Mehrheit der Gesellschaft ganz andere Vorstellungen von einem Zusammenleben hat“, erläuterte der Bürgermeister seine Absichten. Nach wie vor scheint es keine Informationen zu den Tätern zu geben.
Rassismus nimmt zu
Auch das Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick nimmt die aktuellen Ereignisse und Zahlen sehr ernst: „Dass sich die Entwicklung in Adlershof derart zuspitzt, macht uns Sorgen“, sagt Gianna Faust, Mitarbeiterin des Zentrums. Besonders stark ist auch nach ihrem Kenntnisstand in den vergangenen Monaten der Anstieg im Bereich der Beleidigungen, Bedrohungen und Pöbeleien ausgefallen. Eine Tendenz, die sich bereits im Vorjahr abgezeichnet habe. Denn auch diese Zahlen stiegen von 18 Vorfällen im Jahr 2017 auf 55 in 2018 an.
Eine neue Qualität sei zudem auch im Bereich der rechtsextremen Propaganda in einer inhaltlichen Verschiebung zum Rassismus zu beobachten. Es seien vor allem rassistische Inhalte, die verstärkt von extrem rechten Organisationen und Parteien verbreitet werden. Zuvor hätten Graffitis, Schmierereien und Pöbeleien eher auf Selbstdarstellung gesetzt.Direkte Auseinadersetzung.
Es zeige sich nun auch, dass es mittlerweile keine rassistischen Proteste gegen die Unterbringung von geflüchteten Menschen im Bezirk mehr brauche, um hohe Vorfallszahlen im Bereich Rassismus zu erreichen. So ließ sich der Anstieg von rassistischen Angriffen 2016 noch auf die Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte und deren Wirkung zurückführen, jedoch fanden derartige Veranstaltungen 2018 gar nicht mehr statt. Es sei nun zu befürchten, dass sich die rassistischen Auseinandersetzungen in der Gesellschaft jetzt auch auf die Straße und die direkte Auseinandersetzung zwischen Nachbarn, Fahrgästen, Spaziergängern übertragen und dort immer gewalttätiger ausgedrückt werden.
Datum 19. August 2019, Bild und Text: Stefan Bartylla