Bogenschießen: Die Berlinerin Lisa Unruh holte Silber in Rio und hat Tokio 2020 fest im Blick.

Eigentlich wollte Lisa Unruh professionell schwimmen. Dafür besuchte sie die Sportschule in Hohenschönhausen, trainierte hart. Doch es reichte nicht. Das Wasser war nicht wirklich ihr Element. „Wie wär‘s mit Bogenschießen?“, ermunterte ihre Mutter sie damals. „Bogenschießen! Ausgerechnet“, blockte die enttäuschte Teenagerin ab – und ließ sich dann doch darauf ein. Zum Glück!

Nix Spannenderes

Heute, 13 Jahre, manche Medaille und viele Siege später, steht Deutschlands bekannteste Bogenschützin im Sportforum Berlin praktisch auf dem Grund ihrer ehemaligen Schwimmhalle, die 2001 zur Bogenschießhalle mutierte. „Ja, zum Glück entschied ich mich für den Bogen“, bekräftigt die 28-jährige Ausnahmeathletin. „Es gibt nix Spannenderes für mich, das ist ein faszinierender Sport.“ Und äußerst erfolgreich für sie: Weltmeisterin, Europameisterin, Weltcupsiegerin – sie hat alles erreicht. Doch vor allem: Im Vorjahr holte Lisa Unruh in Rio mit Silber die erste Olympische Einzelmedaille für Deutschland im Bogenschießen. „Ein Traum wurde wahr“, sagt sie. Von der anhaltenden Medienpräsenz erwartet sie einen Schub für ihre Sportart. „Vielleicht wollen ja viele Kinder jetzt mehr, als nur aus Stock und Schnur einen Bogen basteln“,
hofft Lisa Unruh.

Sie meditiert

Kraftvoll spannt die Polizeimeisterin den Bogen, justiert ruhig den Pfeil, volle Konzentration, Schuss – und genau ins Gelbe. An normalen Trainingstagen geschieht dies etwa 300 mal; bei Wettkämpfen gar bis zu 800 mal. Die Distanz in der Halle beträgt 18 Meter, im Freien wird 70 Meter entfernt auf die Scheibe geschossen. Drei Kilogramm wiegt das Sportgerät, 18 Kilogramm Zugkraft sind für einen Schuss nötig. „Klar brauchst du Kraft und Ausdauer, trainierte Muskeln in Armen, Schultern und Beinen“, lacht sie. Noch wichtiger sei allerdings das harmonische Zusammenspiel von Körper und Geist. „Neben Laufen und Schwimmen meditiere ich deshalb viel. Das beste Training für den perfekten Schuss“, erläutert
sie ihre Methode.

Kraftquell Freund

Entspannt blickt sie sich in der Halle um. Ihr zweites Zuhause. Sie strahlt eine zugewandte Gelassenheit aus, die sie diesen Sport souverän beherrschen lässt. „Die Lisa ist schon eine coole Socke“, bescheinigt ihr Bundestrainer Oliver Haidn. Kraft holt sie sich auch von ihrem Freund Florian Kahllund – ebenfalls ein Meisterschütze, dessen Erfolge die deutsche Olympiateilnahme erst ermöglichte. Das „Bogen-Traumpaar“. „Tokio 2020 hab ich fest im Blick – wenn‘s weiter so gut läuft, bin ich dabei“, sagt Lisa Unruh und eilt zum Krafttraining.

Jürgen Zweigert, Bild: imago/Xinhua