Der Senat möchte eine flächendeckende Ausstattung Berlins mit City-Toiletten. Dafür wird jetzt per Ausschreibung ein Betreiber gesucht.
Seit 25 Jahren macht die Wall AG ihr Geschäft mit den „Geschäften“ der Berliner und ihrer Gäste. Wall unterhält moderne und effiziente Toilettenhäuschen im Innenstadtbereich und bekommt dafür vom Land Berlin bevorzugte Orte zur Anbringung von Außenwerbung im öffentlichen Straßenland bereit gestellt. 50 Cent kostet die bis zu zwanzigminütige Nutzung. Dafür gibt es in den High-TechHäuschen alles was der Mensch so braucht, um allzu Menschliches diskret und sauber zu erledigen.
Folgenreiches Urteil
Ende 2018 läuft der Vertrag über den Betrieb der 257 Toilettenanlagen mit der Wall AG aus. „Eine weitere Verlängerung des Vertrages war aus kartell-, beihilfe- und vergaberechtlichen Gründen nicht möglich“, sagt Matthias Tang, Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Hintergrund: Das Bundeskartellamt hatte 2015 beschlossen, dass Werbegeschäft und Toilettenbetrieb in Großstädten zukünftig getrennt ausgeschrieben werden müssen.
Umsatzorientierte Verteilung
Die Wall AG, die vor wenigen Jahren vom milliardenschweren französischen Außenwerbungsspezialisten JCDecaux übernommen wurde, hatte in der Vergangenheit den Betrieb von Toiletten immer abhängig von der Passantenfrequenz in der jeweils näheren Umgebung gemacht. Eine flächendeckende Ausstattung, die vor allem auch die äußeren, weniger belebten Berliner Stadtbezirke berücksichtigt, konnte mit diesem Konzept nicht umgesetzt werden. Während zentrale Bezirke wie Mitte oder Charlottenburg mit je rund 40 Wall-Toiletten derzeit gut ausgestattet sind, gibt es in Marzahn-Hellersdorf oder Lichtenberg gerade mal dreizehn beziehungsweise neun dieser stillen Örtchen.
Bessere Verteilung
„Mit der neuen Ausschreibung erwartet der Senat auch eine bessere Versorgung in allen Bezirken“, erklärt Tang mit dem Verweis auf das Toilettenkonzept, das der Senat unlängst veröffentlicht hat. Bis zu 450 City-Toiletten soll es in den kommenden zehn Jahren im gesamten Stadtgebiet geben und eine Toiletten-App die Auffindbarkeit der stillen Örtchen verbessern. Deren Äußeres soll frischer und moderner ausfallen. Auch die inneren Werte sollen aktuelle Entwicklungen berücksichtigen. So könnte es durchaus Unisex-Toiletten mit Urinalen geben, die auch von den Damen genutzt werden können. Bei der Nutzungsgebühr von 50 Cent soll es bleiben. Für Menschen mit Behinderung wird auch in Zukunft die Toilettennutzung mit einem entsprechenden Spezialschlüssel gratis möglich sein. Der Betreiber der Toiletten wird vom Senat bezahlt. Der Plan ist, das Geld dafür aus den Einnahmen zu generieren, die durch die neu ausgeschriebene Plakatwerbung in die Kasse gespült werden.
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Knapper Zeitrahmen
Der Betreiber für die vielen neuen Toiletten wird in den kommenden Monaten per Ausschreibung gesucht. „Die Vorbereitungen dafür haben begonnen. Ein Betreiber könnte bis Anfang 2018 gefunden werden. Der kann dann die neuen Toiletten binnen eines Jahres produzieren lassen und den Betrieb aller ausgeschriebenen Anlagen organisieren und frühzeitig mit dem Aufbau auch dort beginnen, wo es bisher keine öffentlichen Toiletten gibt“, fasst Michael Tang die Pläne zusammen.
Sofortige Nutzung
Zumindest für 76 Toilettenanlagen, die in landeseigenen Gebäuden fest installiert sind, braucht der Senat nach keinen besonderen Lösungen zu suchen. Dort wäre eine Nutzung sofort gewährleistet, da die Anlagen ohne Übergangsphase an einen neuen Betreiber übergeben werden könnten. Allein die jetzt noch genutzten Wall-Toilettenhäuschen könnten die Senatspläne schnell zu Makulatur werden lassen.
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Neue Technik
Nicht nur im Sinne der geschlechtlichen Gleichbehandlung wird im Berliner Toilettenkonzept auch über die Installation von Damenurinalen nachgedacht. Diese speziellen Becken sollen besonders hygienisch sein und nur wenig Spülwasser verbrauchen.
Die Designer schlagen den Damen die Nutzung in der sogenannten „Skifahrerhocke“ vor. Es gibt bereits auch Unisex-Modelle, die für Frauen und Männer gleichermaßen nutzbar sind (siehe Foto).
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Zum Ankauf der aktuell 171 Einrichtungen bietet der Senat der Wall AG die Erstattung des Zeitwertes. Kein Wunder, dass die Verhandlungen deshalb gewaltig ins Stocken geraten sind. „Es ist nach den bisherigen Gesprächen noch offen, ob mit Wall eine Einigung erzielt werden kann“, heißt es dazu aus der zuständigen Senatsverwaltung. Ein Abriss der City-Toiletten könnte bei Nichtübernahme Realität werden. Für diesen Fall hat der Senat bereits eine Anfrage zur Anmietung barrierefreier mobiler Toiletten als Interimslösung gestartet.
Stefan Bartylla, Bild: Thinkstock /Istock / Vicheslav, wikipedia, Prince_Grobheim_CC BY-SA 3.0