Bis zu elf neue Grundschulen braucht der Bezirk – Mahnwache protestiert vor dem Rathaus

Für ordentlich Radau und mächtig Aufsehen sorgten Ende Juni zahlreiche Eltern und Schüler bei ihrer dreitägigen Mahnwache vor dem Lichtenberger Rathaus. „Hilfe wir platzen!“, lautete das Motto der Aktion, mit der hunderte von Teilnehmern auf die dramatischen Engpässe aufmerksam machten.

1.129 Schulplätze fehlen aktuell an den Lichtenberger Grundschulen. Klassen werden überbelegt, modulare Ergänzungsbauten auf die Gelände vorhandener Schulen gesetzt und eifrig nach zusätzlichen Bauplätzen gesucht, die für Schulneubau in Frage kommen. „Lichtenberg wird in den kommenden fünf Jahren 2.500 Schulplätze mehr benötigen“, weiß Claudia Engelmann vom Bezirkselternausschuss der Schulen in Lichtenberg, die an diesen Tagen die Mahnwache mit organisiert. „Die zusätzlichen Kapazitäten von elf Schulen werden wir in den kommenden Jahren benötigen“, bestätigt auch der für Schulbau zuständige Lichtenberger Stadtrat Wilfried Nünthel (CDU).

Alarmierende Ausnahmezustände.

Ein dramatischer Engpass droht, der bereits jetzt ungewöhnliche Anforderungen an alle Beteiligten stellt. So auch an Kim, die zehnjährige Grundschülerin der Friedrichsfelder Grundschule. Sie erfuhr vor wenigen Tagen, dass sie aufgrund des Platzmangels zur fünften und sechsten Klasse an der rund zwei Kilometer weiter entfernten Schmetterlingsgrundschule unterrichtet wird. „Diese Information haben wir jetzt kurz vor Schuljahresende nur durch Zufall bekommen. Der gesamte Jahrgang wird dorthin wechseln“, berichtet die verärgerte Mutter, die weiß, dass sich gerade in den Lichtenberger Ortsteilen die Situation zuspitzt. Ergänzungsbauten, wie die auf dem Gelände der Richard-Wagner-Schule sind da nur Teillösungen. Hier gab es keine weiteren infrastrukturellen Ergänzungen dazu – dieselbe Sporthalle und dieselbe Mensa teilen sich jetzt 570 statt der ursprünglichen 300 Schüler. Zum Mittagessen wurde in der Mensa dieser Schule nun ein Fünf-Schicht-System eingeführt, damit auch alle Schüler mit Essen versorgt werden können.

Mehr Menschen und mehr Schüler

Der Bezirk Lichtenberg ist in den vergangenen Jahren um rund 40.000 Bewohner gewachsen. Zahlreiche neue Siedlungen entstanden und der Wohnungsbau galt als Zielsetzung mit höchster Priorität. In Sachen Schulneubau geschah in diesem Zeitraum wenig: Viele alte Schulgebäude aus der DDR-Zeit wurden still gelegt oder abgerissen, da man zu Anfang der 2010er Jahre eher mit rückläufigen Schülerzahlen gerechnet hatte. Jetzt ist der Bedarf an Räumen und Gebäuden riesig und alle Beteiligten wissen, dass nur neue Schulbauprojekte der Region können helfen.

Langer Vorlauf beim Schulneubau

Diese benötigen aber stets fünf bis zehn Jahre von der Planung bis zur Fertigstellung. „Zu lange“, meinen die Elternvertreter angesichts der Optionen, die das Schulamt nun anbietet. Immerhin mit allen größeren Neubauprojekten will Stadtrat Nünthel den begleitenden Schulbau nun zur Verpflichtung machen. „Bei jedem neuen Wohnungsbau muss die Infrastruktur in Zukunft berücksichtigt werden. Ist die Grundschulfrage nicht geklärt, bin ich gegen Wohnungsbau“, nennt er seine aktuellen Bedingungen in einem Interview mit dem RBB. Sollte sich die Situation dennoch nicht in naher Zukunft entspannen, kennt Nünthel noch unpopulärere Maßnahmen, die für die Schulplatzversorgung im dringendsten Fall getroffen werden müssten. „Wenn nichts mehr geht, müssen wir Schulbusse anmieten und unsere Kinder in die Berliner Bezirke zum Unterricht fahren, wo es noch Schulplätze gibt“, so der Stadtrat.

Text und Bild: Stefan Bartylla