Eltern wehren sich gegen Sanierung bei laufendem Unterricht.
Seit der Gründung der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule vor acht Jahren wird die Schule im laufenden Betrieb saniert. Die Zahl der Schüler ist von 100 auf rund 700 gewachsen. War es zu Beginn möglich, dem Sanierungsgeschehen mit Staub und Lärm bedingt auszuweichen, war dies in den vergangenen beiden Jahren ausgeschlossen. So wurden die Schächte für die notwendigen Fahrstühle im laufenden Schulbetrieb mit Presslufthämmern ausgehoben. Und nebenan sollte unterrichtet werden. Laut Plan waren solch „invasive“ Baumaßnahmen für die Ferien angesetzt. „Doch wenn dieser Zeitplan nicht eingehalten wird, haben die Schulleitung und Eltern wenig Möglichkeiten sich zu wehren“, sagt Carola Ehrlich-Cypra, Vorstand der Elternvertretung.
Kragen geplatzt
So mussten die Kinder zeitweise mit Schallschutz-Kopfhörern und Atemmasken im Unterricht sitzen, wie bei der Strangsanierung eines Gebäudeteils im Vorjahr. Als dann auch noch schweres Gewerk durch die Schultreppenhäuser geschleppt wurde – die Anbringung des Außenbaufahrstuhls hatte sich verzögert – und die Bauarbeiter während des Unterrichts in den Klasseräumen Türen ausbauen wollten, platzte Eltern, Schulleitung und Pädagogen der Kragen. An qualifizierten Unterricht war bei dem Lärmpegel und ständigen Störungen nicht zu denken. Nach zähem Ringen wurde im Winter zwei Kilometer entfernt, in der Falkenberger Straße in Weißensee, ein Ausweichstandort für die etwa 250 Schüler der zu sanierenden Gebäudeteile gefunden. Die Umzugskisten mit Unterrichtsmaterialen wurden von Eltern, Schülern und Lehrern gepackt, weil die Behörden dafür kein Budget hatten. Am Montag war erneut Packtag für die Eltern! Denn ein weiterer sanierter Gebäudeteil kann nach den Sommerferien wieder bezogen werden. Das Ausweichquartier hat ausgedient. Der Ausbau des Schul-daches aber verzögert sich erneut.
Funktioniert nicht
So zieht die Elternvertreterin das Fazit: „Sanierungen im laufenden Schulbetrieb sollten ausgeschlossen werden – das funktioniert nicht!“ Außerdem fordert sie, alle tatsächlich entstehenden Kosten einzukalkulieren, etwa wenn Lehrer Grundschüler ins Ausweichdomizil begleiten oder Umzugskisten gepackt werden müssen. Der Sanierungsbedarf für alle 70 Schulstandorte in Pankow wurde vom Bezirk mit 427 Millionen Euro ermittelt. Allein Außenflächen schlagen mit rund 100 Millionen Euro zu Buche. Oliver Görs, stellvertretender Vorsitzende des Bezirkselternausschusses Pankow, rechnet mit den Verantwortlichen im Bezirk und Senat ab. „Die enormen Summen zeigen das Ausmaß der Versäumnisse der vergangenen Jahre.“
Hintergrund
Die regierenden Parteien Berlins haben sich rechtzeitig zur Wahl zur Schulsanierung positioniert – die SPD will die Bezirke entmachten, das Problem in eigenen Landesgesellschaften zentralisieren und über zehn Jahre 5,5 Milliarden Euro in Sanierung und Neubau investieren; die CDU ist gegen zentrale Bürokratiemonster, will innerhalb von fünf Jahren drei Milliarden Euro in die Sanierung stecken. Gemeinsam sind sie sich der drängenden Notwendigkeit bewusst, schneller mehr zu tun. Zu viel wurde in den vergangenen Jahren versäumt.
Michael Hielscher/jz, Bild: GEV