Pankower Mieter protestieren und klagen gegen überteuerte Modernisierungen.
Tilo Trinks ist enttäuscht: „Die Hausschlachtung geht ungestraft weiter“, sagt er. Gemeinsam mit anderen Betroffenen protestierte er am vorvergangenen Freitag vor dem Landgericht in der Littenstraße. Drinnen wurde das „Pankower Urteil“ verhandelt. Wieder mal. Seit drei Jahren streiten Mieter der Pestalozzistraße 4 mit ihrem Vermieter Gesobau um Ausmaß und Kosten der „energetischen Modernisierung“ in ihrem Haus. Sie wenden sich gegen überzogene Dämmungsmaßnahmen und neue Heizungen, die keinen Cent einsparen. Was muss sein und was wird tatsächlich gemacht? Was ist erlaubt und wer zahlt die Zeche? Wieder wurde vertagt, wieder werden neue Gutachten eingefordert. Es ist ein Muster-Verfahren in Sachen „Mietrecht“, bedeutsam für tausende betroffene Mieter in ganz Berlin.
Trojanisches Pferd
„Die Zeche zahlen wir“, sagt Trinks, seit einigen Jahren einer der Aktiven im „Pankower Mieterprotest“. Das Problem seien die gesetzlichen Vorschriften einer „Energieeinsparverordnung“ (EnEV), nach der die Vermieter unter anderem auch elf Prozent der Modernisierungkosten jährlich auf die Miete umlegen dürfen. Spätestens nach neun Jahren hat er alle Ausgaben wieder rein – doch der Mieter zahlt weiter die seinerzeit infolge der Sanierung erhöhte Miete. Wenn er das nicht kann, muss er raus. „Das öffnet teurer, nicht notwendiger Modernisierung Tür und Tor. Ein trojanisches Pferd, mit dem ganz legal Menschen aus ihren Wohnungen verdrängt werden“, klagt Trinks. „Und ein doppeltes Schnäppchen für viele Hausbesitzer, die hohe Renditen einstreichen.“ Bei den privaten Eigentümern gibt es ganz besonders krasse Fälle, wie in der Kopenhagener Straße 46. Hier wurden die Altmieter durch vielfältige Repressalien praktisch „raussaniert“ – ganz unverblümt mit dem Ziel, das Haus mit Eigentumswohnungen teuer zu vermarkten. „Alle haben aufgegeben, wir sind noch da“, so Sven Fischer, mit seiner Familie letzter verbliebener Mieter. Er hat viele Klagen und Prozesse hinter sich, widerstand den beeindruckenden Schreiben der Kudamm-Anwälte. Ein erster Erfolg: Die Modernisierungsklage des Vermieters gegen ihn wurde abgewiesen. Jetzt hofft er auf einen Vergleich.
Offener Ausgang
Unverständlich, hart an der Grenze des Kriminellen, was sich private Hauseigentümer im Milieuschutzgebiet erlauben dürfen, findet Trinks. „Noch unverständlicher, wenn die Gesellschaften in Landeshand, wie die Gesobau, ähnlich handeln“, sagt er. Dabei ist offensichtlich, dass – entgegen der Gesobau-Berechnungen – in der bereits sanierten Haushälfte der Pestalozzistraße 4 gegenüber der unsanierten keinerlei Energieeinsparung ermittelt wurde. Dennoch müssen die Mieter zahlen. Ebenso paradox wie brisant, finden sie. Auf alle Fälle geht ihr Protest weiter, denn: „Wir lassen uns nicht verdämmen!“ Der Ausgang ist offen: Die für Mietrecht zuständige Richterin am Berliner Landgericht, Regine Paschke, gilt als Vermieter-affin. „Wir Mieter hatten bislang schlechte Karten bei ihr“, sagt Tilo Trinks. Der Streit geht wahrscheinlich in die nächste Instanz…
Jürgen Zweigert, Bild: Wikimedia Commons/Tischbeinahe