Warum an Flughäfen immer so viel liegen gelassen wird.
Am 8. November ist der Flughafen Tegel in den Ruhestand versetzt worden. Diesem Airport haben Julia und Evelyn Csabai ihr Buch „Allerletzter Aufruf Tegel“ gewidmet. Die Autorinnen leiteten viele Jahre lang ein Team von Interviewern, das Umfragen unter Passagieren durchführte. In unserer Serie bringen wir daraus ein paar der skurrilsten Anekdoten.
In dem Moment, in dem die Passagiere am Flughafen ankommen, setzt ihr Hirn aus. Und zwar genau dann, wenn sie das Flugzeug verlassen oder aus dem Taxi, dem Auto oder dem Bus aussteigen. Ihre Wahrnehmung trübt sich, sie sind nicht mehr dieselben Menschen, die sie kurze Zeit vorher noch waren. Es gibt mehrere Theorien darüber, warum das so ist. Manche führen dieses Phänomen auf den Flüssigkeitsmangel nach einem Flug zurück, andere auf den Stress, den Passagiere vor oder nach einer Reise empfinden.
Verzögerter Start
„Wir finden sehr oft etwas“, erzählt mir Renate, eine der zahlreichen Reinigungsfrauen, die in Tegel arbeiten. Bei einem Besuch im Frühstücksraum des Putzpersonals erfahre ich von den Kolleginnen mehr. „Das meiste Bargeld habe ich gefunden“, verkündet Gülcan stolz, „in einer Plastiktüte in der Telefonzelle unten bei der Ankunft. Da habe ich gleich meine Vorarbeiterin gerufen und sie dazu geholt, denn das war sehr viel Geld.
Ich wollte nicht alleine verantwortlich sein. Das waren fünftausend Euro in Fünfhunderteuroscheinen. In der Tüte waren auch Papiere und ein Diplom. Ich habe reingeguckt, um herauszufinden, wem das gehört. Und neben diesem Diplom lagen die fünftausend Euro. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Geld gesehen. Wir sind gemeinsam zum Fundbüro und haben das Geld dort vor Zeugen gleich zwei Mal gezählt.
Kurz darauf kamen zwei Männer, ich glaube, aus Aserbaidschan. Der eine konnte kein Deutsch, aber der andere hat übersetzt. Sie sagten ihre Namen und dass der eine die Papiere verloren hätte. Wir wollten wissen, ob das Geld wirklich ihm gehörte, also haben wir ihn gefragt, wie viel drin wäre. Und er antwortete, da waren fünftausend drin und ein Diplom.
Ich habe gesagt, was für ein Glück er doch hat, dass ich die Tüte entdeckt hätte. Denn wenn es jemand anderes gefunden hätte, wäre das Geld weg gewesen. Da hat er mir eine Belohnung gegeben.“
Tote Bilder
Der skurrilste Fund? Conny, die seit fünfundzwanzig Jahren bei Lost & Found arbeitet, überlegt. „Ein Herr mit einem Holzbein hatte den Rollstuhlfahrerdienst in Anspruch genommen. Er wurde nach der Landung mit dem Rollstuhl aus der Kabine abgeholt.
Da es ein Langstreckenflug war, hat er es sich wahrscheinlich bequem gemacht und sein Holzbein in den Fächern über sich verstaut. Und dort blieb es auch. Vermisst hat er es erst, als der Fahrdienst ihn ins Taxi setzen wollte. Da fiel ihm plötzlich ein: mein Bein! Und so landete er bei uns, bis wir ihm sein Holzbein brachten.“
Datum: 19. November 2020, Text: Redaktion, Bild: imago images/Gerhard Leber