Entscheidung: Bezirksamt Mitte beugt sich Protesten von Anwohnern und Geschichtsvereinen.

Damit hatte die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) nun wirklich nicht gerechnet. Anstelle eines positiven Bauvorbescheids trudelte ihr jetzt eine Mitteilung vom Bezirksamt ins Haus, dass das geplante Neubauprojekt samt 19-geschossigem Wohnturm am Rande der Fischerinsel nun doch nicht gebaut werden darf. Damit beugte sich das Amt ganz offensichtlich den wütenden Protesten von Anwohnern und Geschichtsvereinen. Während die einen die Verschattung ihrer Wohnungen vor allem im Wohnturm Fischerinsel 1 befürchteten, forderten die anderen „die Wiederherstellung der Stadtidentität an Berlins Geburtsort“. Was alle zusammen jetzt am meisten ärgert: Für das geplante Hochhaus mussten 70 Bäume gefällt werden, damit die Archäologen des Baugeländes auf Hinterlassenschaften der Fischerinsel-Ureinwohner untersuchen konnten. Die überraschte WBM-Sprecherin Steffi Pianka kann die Entscheidung der zuständigen Bezirksverwaltung für Stadtentwicklung nicht nachvollziehen, denn schließlich sei der Bezirk an dem langwierigen Wettbewerbsverfahren beteiligt gewesen und habe mit in der Jury gesessen.

Offener Protest

Auch die Berliner Architektenkammer kann diese neueste Entwicklung nicht verstehen. Sowohl das geplante, in einem Wettbewerb prämierte Hochhaus auf einem Grundstück der WBM an der Fischerinsel, Ecke Leipziger/Annenstraße, als auch die schlanken Wohntürme der Agromex an der Spree sind Ergebnisse von ordentlichen, durch die Architektenkammer registrierten, Wettbewerbsverfahren, an denen neben den Fachleuten und Sachverständigen auch die Politik und die Verwaltung beteiligt waren, heißt es in einem offenen Protestschreiben. „Es ist ja gerade der große Vorteil von Wettbewerben, dass alle an einem Tisch sitzen und sich gemeinsam für die beste Lösung entscheiden, die optimal auf die jeweilige Situation zugeschnitten ist. Mit dem Wettbewerb hat man nicht nur die Planenden, sondern eben auch den richtigen Entwurf gefunden.“

Falsches Signal

In beiden Fällen sei das Ergebnis gelungen und wurde durch Fachleute und Politiker allgemein gelobt. Wenn nun nachträglich den allgegenwärtigen Protesten, sei es durch Anwohner oder durch Bürgervereine, dadurch Rechnung getragen wird, dass man den erreichten Konsens wieder aufs Spiel setzt, ist das ein völlig falsches Signal, meint die Kammer. „Die Erschließung innerstädtischer Wohnbaupotentiale ist viel zu sehr im allgemeinen Interesse, um zur parteipolitischen Profilierung oder zur Durchsetzung von Partialinteressen missbraucht zu werden.“

mw