Unterkünfte und Lotsen sollen dafür sorgen, dass sich auch obdachlose Menschen in Berlin in Zeiten der Krise vor Corona schützen können.
Die Corona-Krise ist für niemanden eine einfache Zeit. Besonders hart jedoch gestaltet sich die Situation für Menschen, die auf der Straße leben. In Berlin sind das knapp 2.000 Obdachlose. Dies war nach der Zählung Ende Januar durch Elke Breitenbach (Linke), Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, verkündet worden. Schätzungen hingegen sprechen von 6.000 bis 10.000.
Ganztägige Unterkünfte
„Corona ist für Menschen, die auf der Straße leben, eine Katastrophe“, bestätigte die Senatorin in einer Pressekonferenz gemeinsam mit der Sozialgenossenschaft Karuna. Die aktuell gültige Aussage „bleibt alle zu Hause“ sei ein Hohn gegenüber denen, die kein zu Hause hätten, ergänzt Breitenbach. Aus diesem Grund wurde bereits im März eine Jugendherberge in der Kluckstraße für Obdachlose angemietet. 200 Personen können hier unterkommen. Die Plätze waren schnell belegt. In der bisherigen Notunterkunft der Kältehilfe in der Storkower Straße hat am 1. Mai die zweite Einrichtung dieser Art eröffnet, die weiteren 100 Menschen ein Dach über dem Kopf bieten soll.
Einzelzimmer für Corona-Verdachtsfälle
Eine dritte in der Lehrter Straße verfügt über 110 Plätze, acht davon seien rollstuhlgerecht, 30 für alkoholisierte Klienten, 35 speziell für Frauen und drei Einzelzimmer seien für Corona-Verdachtsfälle vorgesehen. Darüber informierte die Linken-Politikerin gemeinsam mit Jörg Richert, Vorstandsvorsitzender der Sozialgenossenschaft Karuna. Zudem diente der Termin der Vorstellung sogenannter Obdachlosenlotsen der „Karuna Corona Taskforce“, für die das Abgeordnetenhaus kürzlich eine Finanzierung von vorerst 300.000 Euro bewilligt hat.
Einmaliges Projekt
Laut Senatsverwaltung seien zunächst 12 ehemals selbst obdachlose Menschen im Rahmen des bundesweit einmaligen Modellprojekts Solidarisches Grundeinkommen (SGE) als Lotsen unterwegs. Weitere sollen folgen, bestätigt Breitenbach. Sie versorgen auf der Straße lebende Menschen mit Essen, Hygieneartikeln, Mundschutz, Informationen und Trinkwasser. Das SGE soll zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit in der Stadt beitragen und Menschen einen ersten Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Die Lotsen ziehen durch die Straßen und suchen den Kontakt zu Obdachlosen. Die Arbeit von Sozialpädagogen könne dies zwar nicht ersetzen, doch es seien eben nicht alle Pädagogen auf der Straße unterwegs. „Man muss die Menschen dort abholen, wo sie sind“, so Breitenbach.
Eigene Erfahrungen
Dabei profitieren die Lotsen von ihrer eigenen Biografie und Erfahrung. „Bei der Jugendherberge in der Kluckstraße hat sich schon jetzt gezeigt, dass Karuna die Menschen dort hin vermitteln konnte.“ Natürlich würden die Lotsen auf die geltenden Abstands- und Hygieneregeln achten, bekräftigt Jörg Richert. Bei den Obdachlosen selbst sei besonders der Bedarf nach Schutzmasken groß. Was deren Situation in der Krise generell betrifft, da bleibt Senatorin Breitenbach realistisch: „Niemand kann sicherstellen, dass alle Obdachlosen erreicht werden.“ Dennoch könnten die Lotsen mit ihrem Expertenwissen ihren Teil dazu beitragen, mehr und mehr Menschen in Zeiten von Corona zu helfen.
Datum: 2. Mai 2020, Text: Lisa Gratzke, Bild: imago images/Emmanuele Contini