Die denkmalgeschützte Wohnanlage an der Sellinstraße wird im Auftrag der Gesobau ohne Rücksicht auf Verluste modernisiert. Jetzt dreht den Mietern Ungemach.

Seit Juni berichtet das Berliner Abendblatt in Abständen über die seit Ende März 2017 andauernden Modernisierungsmaßnahmen am und im denkmalgeschützten Wohnensemble mit der Objektnummer 09050585 im Landesdenkmalamt-Verzeichnis.

Wertvoller Bestand.

Zur Erinnerung: Je länger die Arbeiten dauern, desto massiver wurde von den bauausführenden Firmen (Hauptauftragnehmer ist die Berliner Retis GmbH) gegen Denkmalschutzauflagen verstoßen. Eine Mieterinitiative gründete sich. Anfangs, um gegen den Abriss der historischen Speisekammern zu intervenieren, inzwischen, um den wertvollen Bestand an zeitgenössischen Hinterlassenschaften wenigstens noch in Teilen sichern zu helfen. Dazu gehören laut Auflage der zuständigen Unteren Denkmalschutzbehörde „Originalbauteile wie bauzeitliche Fußböden, Türen, Beschläge, Fensteroliven, Türschlitzklappen an den Wohnungseingangstüren, Klingelschilder, Geländer, Gitter…“

All dies hätte vor Baubeginn gesichert, geschützt und später aufgearbeitet werden müssen, weil, so heißt es im Genehmigungsschreiben der Behörde, „der Erhalt von originärer Bausubstanz primäres denkmalpflegerisches Ziel“ sei. Weil dies aber nicht geschah (entsprechende Dokumente liegen vor), suchte sich die rührige Mieterinitiative Hilfe bei der Pankower Denkmalschutzbehörde.

Komplett ignoriert

Doch deren Chefin dachte gar nicht daran, die berechtigten Proteste gegen den Denkmalschutzfrevel zu unterstützen und den Bauherren, das landeseigene Wohnungsunternehmen Gesobau, zu drängen, entsprechend Einfluss auf die Retis GmbH zu nehmen. Das von ihr geforderte Gutachten (die Mieter zahlten es aus der eigenen Tasche) wurde komplett von ihr ignoriert, sie selbst erklärte, keinerlei Kompetenzen in Sachen Modernisierung denkmalgeschützter Bauten zu haben. Einen entsprechenden Fragenkatalog des Berliner Abendblattes, der sich vor allem um die Kontrollfunktion der Unteren Denkmalschutzbehörde dreht, lässt diese seit Ende August unbeantwortet.

Freie Interpretation

Freie Fahrt also für die Gesobau, die die Modernisierungsmaßnahme so schnell wie möglich durchziehen möchte. So schreckte sie auch nicht davor zurück, das schon erwähnte Gutachten des renommierten Sachverständigen für Technische Gebäudeausrüstung (TGA) Ralf Masuch sinnentstellend gegenüber Denkmalschutzbehörde und Berliner Abendblatt so zu interpretieren, als würden dessen Vorschläge die Wohnqualität massiv verschlechtern.

Ralf Masuch dazu an die Gesobau (das Schreiben liegt dem Berliner Abendblatt vor): „Der daraus resultierenden Schlussfolgerung, dass diese Variante erhebliche Einschränkungen und Verschlechterungen der Wohnqualität zur Folge hätte, muss ich umfänglich widersprechen.“ Was die Gesobau nicht davon abhält, jetzt die Mitglieder der Mieterinitiative zur sofortigen Unterzeichnung der umstrittenen Modernisierungsvereinbarung zu drängen. Und allen Versprechungen zum Trotz mit Klage zu drohen.

Am 8. November haben wir Berlins obersten Denkmalschützer, Christoph Rauhut, über diesen Fall informiert. Was er dazu sagt, erfahren Leser in einer unserer nächsten Ausgabe.

Datum: 20. November 2018 Text und Bild: Ulf Teichert