Fluglärm: Machtlos Betroffene und TXL-Fans streiten weiter um die Offenhaltung des Tegeler Airports.

Immer wenn der BER in sein nächstes Desaster taumelt, geht es auch um TXL. Zwei Schwestern, untrennbar miteinander verbunden: Die ältere darf nicht „sterben“, bevor die jüngere „lebt“ – und deren Geburt als moderner Großstadtflughafen zieht sich unendlich hin. Jüngst haben die Väter wieder mit versteinerten Gesichtern erklärt, warum das so ist und wer was wann wovon wusste. Es gibt dramatische Rückschläge: Firmen, die schlampen. Türen, die nicht schließen. Sprinkler, die versiegen. Überraschende Änderungswünsche, schlechte Kommunikation – am Ende bleiben die vielen technischen Unzulänglichkeiten eine Blamage für ein technologisch hoch gerüstetes Land. „Eröffnung frühestens im März 2018“, bekundet Flughafenchef Karsten Mühlenfeld jetzt. Voraussichtlich. Verschmerzbar, wenn sich die zusätzlichen Milliarden nicht auf Kosten der Steuerzahler summieren würden.

Trauerspiel

Und schon gar nicht verschmerzbar für all jene Menschen in Reinickendorf, Pankow, Spandau, die tags keine Ruhe und nachts keinen Schlaf finden. Ein krank machender Lärm, der aufgrund der Verlagerung von Flügen von Schönefeld nach Tegel besonders nachts deutlich zugenommen hat. „Das ist seit Jahren unerträglich. Bereits Ende 2012 hatten wir mit der geplanten BER-Eröffnung auf Ruhe gehofft“, sagt Rolf-Roland Bley, Mitglied der Fluglärmschutzkommission. Doch das Trauerspiel ginge jetzt im fünften Jahr weiter – Ende offen. Mit Befremden sieht er die Forderung des Spandauer AfD-Stadtrats Andreas Otti, TXL weiter zu betreiben. Für ihn eine haarsträubende Ignoranz und ein aussichtsloses Ansinnen: „Die Fakten sind klar und unwiderruflich, die Rechtslage eindeutig, am Schließungsbescheid vom Februar 2006 ist nicht zu rütteln – sechs Monate nach BER-Eröffnung macht Tegel dicht“, sagt der Staakener Bley. Genauso sieht es auch der Berliner Senat.

Weiter Weg

Nicht nur die AfD – auch Berlins FDP trommelt, mit verhaltener Unterstützung der CDU, für die Offenhaltung von Tegel. Generalsekretär Sebastian Czaja warnt, dass die Kapazität des BER nicht ausreiche. „Tegel ist wichtig für die Stadt, für ihre Wirtschaft, den Tourismus, ein unentbehrliches Luftkreuz“, sagt er. Deshalb trage die FDP die Initiative „Berlin braucht Tegel“ mit und sammele Unterschriften für ein Volksbegehren zum Weiterbetrieb Tegels. Czaja sieht eine wachsende Akzeptanz bei den Bürgern und immer mehr Handels- und Gewerbetreibende legten die Unterschriften aus. Doch er weiß auch – es ist noch ein weiter Weg. Bis Ende Januar hatten knapp 31.000 TXL-Fans unterschrieben; nötig sind bis 20. März aber rund 175.000. Sind die zusammen, werden in der nächsten Stufe auf dem Weg zum Plebiszit 640.000 benötigt – ein Viertel der Berliner Wahlbevölkerung. Doch selbst ein erfolgreicher Volksentscheid würde an der Schließung nichts ändern: „Er wäre lediglich eine Empfehlung, nicht bindend für den Senat“, heißt es aus dem Roten Rathaus. Darauf setzen auch die machtlos Betroffenen, die „unter den Flugzeugen“ wohnen.

Jürgen Zweigert, Bild: Getty Images/iStock/the_guitar_mann