An der Michelangelostraße ringen Anwohner und Bezirk weiter um maßvolles Bauen.

Edeltraud und Albert Morwinski blicken skeptisch auf die Michelangelo-straße: „Und da sollen bis zu 1.500 Wohnungen rein? Niemals!“ Seit 40 Jahren ist das Rentnerpaar im „Mühlenkiez“ an der Greifswalder Straße zu Hause. Sie haben erlebt, wie es in ihrem Wohnumfeld immer quirliger, immer lauter, immer enger wurde. Und nun noch das: Ein komplett neues Viertel links und rechts der Michelangelo. Ein paar Tausend Neubürger mit einigen Hundert Autos dazu. „Das kann nicht funktionieren“, sagen sie und befürchten einen massiven Verlust an Lebensqualität; eine zunehmende Gentrifizierung und steigende Mieten.

Massiver Widerstand

Das ist der Knackpunkt: Senat und Bezirk sehen hier ein Potenzial von bis zu 1.500 Wohnungen; die Anwohner maximal 650. „Bauen ja, doch nicht unmenschlich verdichten. Wir wollen anständig leben und nicht zwischen Häuserschluchten hausen“, begründen sie ihre Abwehr. Der städtebauliche Entwurf steht, doch es gibt massiven Widerstand gegen seine Machbarkeit. Ein Dilemma, das der Bezirk jetzt mit größerer Bürgerbeteiligung zu entschärfen versucht.

Schlechte Logistik

Nachdem Anfang April ein erstes Bürgerforum aufgrund schlechter Logistik abgesagt wurde, kamen Ende April Hunderte Anwohner in die Gethsemanekirche.   Stadtbaurat Vollrad Kuhn (Grüne) zeigte sich kompromissbereit: „Fakt ist, dass wir auch innerstädtisch mehr bauen müssen. Wir brauchen dringend Wohnungen, die Flächen sind knapp. Doch die 1.500 hier sind keine starre Größe. Über vernünftige Alternativen reden wir gern“, sagt er. Das wird in Bürger-Workshops geschehen. An einem Modell sollen demnächst Für und Wider des Projekts diskutiert werden.

Kaum Fortschritte

Solche Aktivitäten seitens der Verwaltung sind auch bitter nötig. Petra Lisker und Hans-Jürgen Schulze von der Bürgerinitiative Leben! An der Michelangelostraße sehen bisher kaum Fortschritte im Bürgerdialog, sondern eher eine Verhärtung der Fronten. „Außer Spesen – für Planungs- und Projektkosten – nix gewesen“, zieht Schulze sein Fazit.  Allerdings wolle man nicht nachkarten und nach den Schuldigen suchen. „Klingt simpel, aber wir müssen nach vorne schauen“, sagt Lisker. Reale Information. Die Menschen müssten von einer  maßvollen Bebauung überzeugt werden. Dafür sei die reale Information das A und O und nicht das mantraartige Geschwafel von einer „Erhöhung der Lebensqualität“, ohne dafür den Beweis zu erbringen. „Wer um Grün und Parkplatz bangt, muss klipp und klar erfahren, was die Alternativen sind. Der muss wissen, dass in der jetzigen Versorgungswüste eben auch Dienstleistungen und Begegnungsstätten für Alt und Jung entstehen“, fordert Schulze.

Allerdings gehöre dazu auch das ganz persönliche Nachdenken darüber, ob in einer wachsenden Großstadt jeder Traum von einem grünen Umfeld und dem Parkplatz vor der Tür erfüllbar ist. „Einsichten sind nötig, Kompromisse sind möglich. Wir sind dabei und bleiben dran“, versichern beide.

Autor und Bild: Jürgen Zweigert