Eröffnung: Acht Menschen mit Handicap beziehen eine Hochhausetage in der Lichtenberger Möllendorffstraße.

Eine große Premierenfeier mit rotem Band und allem drum und dran gab es in der vergangenen Woche in der Lichtenberger Möllendorffstraße anlässlich der WG-Eröffnung „Junge Mitte“ in der sechsten Etage des Lichtenberger Wohnblocks. Das besondere an der Party: Diese WG gibt es speziell nur für junge, behinderte Menschen.

Start frei

Die neue Wohngemeinschaft ist auf 500 Quadratmeter Fläche rollstuhlgerecht und komplett barrierefrei gestaltet. Sie soll ihren jungen Bewohnern hier die Chance auf einen guten Start in ein selbständiges Leben bieten und in der betreuten Gemeinschaft Gleichaltriger helfen, ihr privates und berufliches Leben zu meistern. Jeder Bewohner hat sein eigenes, rund 25 Quadratmeter großes Zimmer. Fünf junge Frauen und Männer zwischen 20 und 25 Jahren aus ganz Berlin sind bereits zum Jahreswechsel hier eingezogen. Drei von ihnen gehen tagsüber zur Arbeit; eine junge Frau ist zurzeit noch in einer Ausbildung. Zu den Gemeinschaftsräumen der WG zählen die Wohnküche, die Bäder, der Therapie- und der Hauswirtschaftsraum – sie stehen wie in jeder WG allen Bewohnern gleichberechtigt zur Verfügung. Zum Konzept der WG zählt der Einsatz erfahrener Pflegekräfte sowie ein eingespieltes Netzwerk aus Ärzten, Therapeuten und Anderen, die die optimale pflegerische und medizinische Versorgung garantieren sollen. In der „Jungen Mitte“ wird besonderen Wert auf die Eigenverantwortung jedes einzelnen und den Gemeinschaftsgedanken gelegt: Entscheidungen werden gemeinschaftlich getroffen, Anschaffungen und Ausflüge werden gemeinsam geplant, Konflikte werden innerhalb der WG ausgetragen und auch über den Einzug neuer Mitbewohner wird in der Gruppe entschieden. Träger des Projektes ist die Gesundheitspflege Helle-Mitte. Deren Geschäftsführer André Graff erläutert das Projekt : „In der täglichen Praxis stellen wir immer wieder fest , dass viele junge Erwachsene mit Behinderungen aus Mangel an guten Alternativen in Wohnformen für Demente oder sogar in Seniorenheimen untergebracht sind. Es sind aber junge Menschen, die trotz und mit ihren Beeinträchtigungen so leben möchten wie ihre Altersgenossen.“ Und dafür sind die Rahmenbedingungen hier bestens organisiert. Ein Umstand, den auch Christian F. (25) zu schätzen weiß. Er kam mit einer schweren Erkrankung des Muskelapparates zur Welt. Eine Chance auf Heilung oder Besserung bestand zu keinem Zeitpunkt; ein Leben ohne Rollstuhl ist für ihn nicht möglich. Nachdem er seine Kindheit noch in der Familie verbringen konnte, musste er als Heranwachsender zunächst in eine WG für demente ziehen, später in ein Seniorenheim. Beide Wohnformen waren nicht ideal für einen Heranwachsenden, dessen kognitive Fähigkeiten denen eines gesunden Mannes entsprechen. Seit Dezember 2015 lebt Christian nun unter Gleichaltrigen in der Wohngemeinschaft „Junge Mitte“. Tagsüber geht er seiner Arbeit in einer Werkstatt für Behinderte nach und sein Zuhause hat er nun in der WG an der Möllendorffstraße.

ylla / Bild: Fank Knispel