Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel warnt vor „rechtsfreier Zone“ Tiergarten, fordert Hilfe der Stadt und Vorgehen gegen Obdachlosencamps.
Nicht erst seit dem Raubmord an der 60 Jahre alten Kunsthistorikern Susanne F. vor wenigen Wochen gilt der Tiergarten als krimineller Brennpunkt. Zwischen Zoo und Neuem See kommt es immer wieder zu Überfällen; Prostitution und Gewaltdelikte stehen an der Tagesordnung. Seit einigen Jahren campieren zudem vermehrt Obdachlose im einstigen Vorzeige-Park der Hauptstadt. Immer wieder werden diese „Camps“ geräumt, wenige Wochen später finden sie sich an anderer Stelle im Großen Tiergarten wieder.
Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel findet nun klare Worte für den zunehmenden Verfall der 200 Hektar großen Grünanlage. In einem öffentlichen Appell wendet er sich an die Stadt: „Die Lage im Tiergarten ist nicht mehr zumutbar. Viele Beschäftigte des Straßen- und Grünflächenamtes fühlen sich von immer aggressiveren Wohnungslosen bedroht. Beleidigt werden, gehört für sie ebenso zum Alltag wie der Frust, den vielen Verstößen gegen das Grünanlagengesetz machtlos gegenüber zu stehen. Der Tiergarten wird mehr und mehr zur rechtsfreien Zone.“
Obdachlosencamps
Tatsächlich campieren aktuell rund 50 bis 60 Obdachlose im Tiergarten, darunter viele Drogen- und Alkoholabhängige, die immer wieder durch aggressives Verhalten auffallen. Stephan von Dassel sieht das Problem vor allem bei den osteuropäischen Obdachsuchenden – und findet für einen Grünen-Politiker ungewohnt harte Worte. „Die polnische Regierung kann ihr soziales Problem nicht in Berliner Grünflächen lösen. Aggressive Obdachlose aus EU-Ländern abzuschieben, sollte kein Tabu mehr sein.“
Er fordert zudem eine Stärkung des bezirklichen Ordnungsamts, zum Beispiel durch den Einsatz sogenannter „Müllsheriffs“, die an den Vermüllungs-Hotspots im Park Übeltäter stellen und Bußgelder von bis zu 50.000 Euro verhängen. Auch sollen die Leitlinien zur Hilfe von Wohnungslosen aus dem Jahr 1999 endlich fortschreiten, sodass Kranken- und Sozialhilfeansprüche sowie Rückkehrhilfen gegeben seien. Zudem will sich Stephan von Dassel mit den Akteuren der queeren Community zusammensetzen, um langfristig gegen Prostitution und dem Tiergarten als „Sexort“ vorzugehen. Langfristig soll der Tiergarten endlich wieder zum Erholungsort und zur „grünen Lunge der Stadt“ für alle Menschen in Berlin werden.
Nach Stephan von Dassels Appell meldeten sich auch andere Bezirke mit ähnlichen Forderungen. Auch Innensenator Andreas Geisel von der SPD reagiert nun auf die Forderungen des Grünen-Bezirksbürgermeisters. Er plädiert für eine ressortübergreifende Lösung mit den Bezirken und die Lösung der sozialen Probleme, die Menschen in Obdachlosigkeit und Prostitution zwängen: „Mit rein repressiven Maßnahmen wird dies nicht gelingen. Obdachlose brauchen vielmehr Schlafplätze sowie psychosoziale Betreuung.“
Soziale Lösung
Die Haltung von Dieter Puhl, Leiter der Bahnhofsmission am Zoo, ist ähnlich. „Wir brauchen eine bessere medizinische Versorgung, bessere Übernachtungsstandards und mehr sanitäre Anlagen dort, wo Menschen draußen übernachten müssen.“ Am 1. November startet die Berliner Kältehilfe. Bereits in dieser Woche sollen verstärkte Polizeikontrollen für Sicherheit im Park sorgen.
Katja Reichgardt, Bilder: Stefan Bartylla