Bezirk fordert Unterstützung vom Generalbundesanwalt in Karlsruhe.
Seit Juni 2016 wurden in Neukölln 14 Brandanschläge gezielt auf Privatautos von demokratisch engagierten Menschen ausgeübt. Eine dazu im Frühjahr eingesetzte Sondereinheit der Polizei konnte bisher keine Ergebnisse aufweisen und stellte die ersten Ermittlungsverfahren bereits wieder ein. Ein Zustand, der bei den Betroffenen auf Unverständnis stößt. Deshalb fordern Bürgermeister Martin Hikel, Opfer und andere Unterstützer den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof nun auf, die Anschlagsserie als terroristisch einzustufen und das Verfahren zu übernehmen.
Ohnmacht der Betroffenen
Brandanschläge, Sachbeschädigung, Diebstahl und Bedrohungen durch Graffitis, Stein- und Farbflaschenwürfe – 51 Angriffe in Neukölln hat die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) seit 2016 gezählt. Zu den Opfern zählen auch die jüngst zur Pressekonferenz im Neuköllner Rathaus Erschienenen. Etwa der Geschäftsinhaber Heinz Ostermann aus Rudow, der bereits zwei Anschläge auf seinen Buchladen und sein Auto zu beklagen hat. Persönlich betroffen von rechtsextremistischem Terror sind auch der Linken-Politiker Ferat Koçak und seine Angehörigen. „Süd-Neukölln ist eine Gefahrenzone für uns geworden“, erklärt er. Seit dem Anschlag auf das Auto seiner Familie habe man Überwachungskameras aufgestellt. „Wenn ich in meinem Elternhaus übernachte, halte ich aber trotzdem nachts Wache“, sagt Koçak. Eine Reaktion, die die Ohnmacht der Betroffenen im Bezirk verdeutlicht. „Wir haben hier eine Bande von Nazis, die strukturell terrorisieren, Mitbürger in ihrem täglichen Handeln einschränken und Angst schüren. Wir sind an einem Punkt, wo wir dem eine Grenze setzen müssen. Vor allem, wenn Menschen Morddrohungen erhalten“, unterstreicht Hikel die Forderung der Fallübernahme durch den Generalbundesanwalt.
Kritik an der Polizei
Es gehe hier nicht um Einzelfälle, stellte auch Lasse Jahn von der „SJD – Die Falken Neukölln“ klar. Zweimal wurde die Einrichtung des sozialistischen Jugendverbandes in Brand gesetzt. Nur knapp entging man einer Katastrophe. Denn eine Nacht zuvor übernachteten Kinder und Jugendliche im Falkenhaus. Einschüchtern lasse man sich nicht. „Es macht aber keinen Sinn, nur einen Vorfall zu bearbeiten. Es muss als Puzzleteil einer Serie mit Zusammenhängen im Gesamtbild betrachtet werden“, betont Jahn. Kritk an der Vorgehensweise der Polizei äußert Jürgen Schulte von der Anwohnerinitiative „Hufeisern gegen Rechts“. Im November 2017 sind an 16 Orten in Neukölln binnen zwei, drei Stunden 13 Stolpersteine entwendet worden. „Die Ermittlungen wurden nach gerade einmal vier Monaten eingestellt. Also nicht einmal die halbjährige Schamfrist wurde eingehalten“, sagt Schulte verwundert.
Terror stoppen
Diese und andere Straftaten sollen nun mit dem unterzeichneten Bittbrief an die Bundesanwaltschaft aufgeklärt werden. Unterstützt wird die Aktion auch von Mirjam Blumenthal, Fraktionsvorsitzende der SPD Neukölln, die selbst Opfer der Bedrohung wurde. „Wir müssen diesen Terror stoppen, bevor es Tote gibt“, sagt Politikwissenschaftlerin und Anschlagsopfer Claudia von Gélieu und erinnerte nicht zuletzt an die strukturellen Verbrechen der NSU.
Datum: 17. Dezember 2018, Autor: Karin Reimold, Bilder: imago/Christian Mang, Karin Reimold