Prestigeprojekt: Luxus-Appartements im Postbanktower an der Möckernbrücke.
Ein „vertikales Dorf“, das an der Möckernbrücke auf 23 Etagen fast 90 Meter in den Himmel wächst – so stellen sich die Macher des „Vertical Village“ die Zukunft des ehemaligen Postscheckamts vor. Christoph Gröner, Chef der CG-Gruppe und Gebäudeeigentümer, kommt angesichts der Dimensionen des Bauprojekts ins Schwärmen: „Ein Tower für flexible Menschen, für digitale Großstadt-Nomaden, die eine gewisse Zeit in Berlin verbringen und sich hier sehr wohl fühlen werden.“ Geplant sind rund 300 Appartements für temporäres Wohnen, von 42 bis über 80 Quadratmeter groß. In der Sockelzone entsteht eine Art Kommunikationszentrum – mit Nachbarschaftstreff, Kino, Bibliothek, Fitnessstudio, Küchen für gemeinsames Kochen. Ein urbanes Dorf, das sich mit seinen Einrichtungen dem Quartier nach allen Seiten öffnen und so den Kiez aufwerten soll.
Verträge noch offen
„Das ist unsere Art, wieder Leben in leer stehende, ungenutzte Bürotürme zu bringen“, sagt Gröner. Mit Mietpreisen von 18 Euro kalt und mehr je Quadratmeter ist das nicht gerade billig. Kompensiert wird dieser Luxus für die „Zeitreisenden“ durch den Bau von rund 500 weiteren Wohnungen, die inklusive Gewerbe, Einzelhandel, Hotel, Kita am Tower entstehen: Ein Viertel von ihnen geht – so hat es der Bezirk mit der CG-Gruppe vereinbart – im geförderten Wohnungsbau an die Degewo. Diese vermietet die Wohnungen zu 6,50 Euro kalt pro Quadratmeter, ein weiterer Anteil wird „preisgedämpft“ angeboten. Man habe von Anfang an freiwillig auf 30 Prozent preisgünstiges Wohnen orientiert, so der CG-Chef. Also alles paletti an der Möckernbrücke? Mitnichten. Zwar haben die Postbänker das Hochhaus inzwischen geräumt und sind an den Moabiter Werder gezogen. Es könnte also losgehen mit den Prestige-Projekten „Vertical Village“ und der benachbarten „Hymat“. Doch die Hürden sind weiterhin hoch. „Noch fehlt ein städtebaulicher Vertrag, der das Projekt rechtlich sichert. Der Bauantrag ist noch nicht gestellt, Baurecht muss erst geschaffen werden“, sagt John Dahl (SPD), Bauausschuss-Vorsitzender in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Vieles am Architekten-Entwurf sei umstritten und müsse weiter diskutiert werden. Darunter auch die Belange der angrenzenden Montessori-Schule. Grundsätzlich halte er das Vorhaben für realistisch, „doch wir müssen den Spielraum für weitere Diskussionen nutzen“.
Bürgerbeteiligung ist mäßig
Aber der Auftakt zum Bürgerdialog fiel durchwachsen aus: Nur 60 Interessierte wollten jüngst mit Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) und Vertretern der CG-Gruppe das Bauvorhaben diskutieren. Sie waren wenig begeistert, lehnten es aber auch nicht von vorneherein ab. Kritisiert wurde die dichte Bebauung. Befürchtet wird ein Ansteigen der Mieten in der Umgebung. Schmidt machte klar, dass noch nichts entschieden sei: „Der Dialog ist eröffnet. Jeder kann seine Wünsche und Ideen einbringen. Wir wollen eine breite Bürgerbeteiligung und klare Verträge, bevor die Bagger anrollen.“ Das ist ihm wichtig – hatte doch das luxuriöse Bauprojekt desselben Investors in der Rigaer Straße massiven Widerstand im Linksautonomen-Kiez entfacht. Am Halleschen Ufer soll nun eine stärkere Mitsprache der Bürger Ähnliches verhindern. Dieser Prozess dauert – und so werden hier vor 2019 wohl keine Bagger rollen.
Jürgen Zweigert, Bild: Eicke Becker