Historischer Tag für den Klimaschutz: Heizkraftwerk Klingenberg verabschiedet sich von der Braunkohle.
Gemeinsam ziehen Müller und Müller das gelbe Tuch von der Tafel: „24. Mai 2017. Für das Berliner Klima: Letzter Braunkohle-Einsatz im Heizkraftwerk Klingenberg“ verkündet der himmelblaue Text. Das Foyer im backsteinroten Verwaltungsgebäude des Werkes ist rappelvoll. Ein historischer Tag: Vattenfall verabschiedet sich in Berlin von der Braunkohle. Auch das hier ursprünglich geplante Steinkohlekraftwerk ist nach heftigen Protesten von Anwohnern, Bezirksamt, umweltbewussten Parteien und Initiativen längst passé. Überhaupt keine Kohle mehr – die Zukunft heißt Erdgas. Zwar noch nicht Wind und Sonne, doch immerhin Erdgas, das den Kohlendioxid-Ausstoß an diesem Standort wenigstens halbiert. Georg Klingenberg, der Erbauer des 1926 fertig gestellten Kraftwerks, würde sich gewiss wundern. Seinerzeit war das nach ihm benannte Werk das größte und modernste Europas.
Bewegte Geschichte
Michael Müller, der Regierende, erinnert an die Berlin-Blockade, die am 24. Juni 1948 mit der Kappung der Stromversorgung in den Westteil der Stadt begann. „Damals war jeder Sack Kohle überlebenswichtig“, sagt er. Doch die Zeiten haben sich geändert. Raubbau und Verbrennung fossiler Rohstoffe fügten dem Planeten irreparable Schäden zu. Dabei käme den Städten beim Klimawandel eine Schlüsselrolle zu; weltweit produzierten sie 70 Prozent der Treibhausgase. „Deshalb ist der heutige Tag ein Meilenstein auf unserem Weg zu einer klimaneutralen Stadt“, so Müller. Berlin soll 2050 klimaneutral sein. Er dankte dem schwedischen Konzern dafür, dass er die 2009 mit dem BErliner Senat geschlossene Klimaschutz-Vereinbarung zum Kohleausstieg so konsequent umsetzt.
Warme Wende
Gunther Müller, der Wärme-Vorstand bei Vattenfall, untermauert dann die Wärmewende in Klingenberg konkreter: „Mit dem Wechsel von Kohle auf Erdgas werden jährlich 600.000 Tonnen Kohlendioxid-Ausstoß vermieden“, verkündet er den Beginn eines prima Klimas für Berlin. Endlich stillgelegte Kohlekessel, doch die drei, noch aus DDR-Zeiten stammenden Turbinen werden weiter betrieben. 100 Millionen Euro habe Vattenfall in die Modernisierung gesteckt, so Müller.
Mit Reserve
Eine wichtige Investition, doch man denke und handle bereits viel weiter: In Marzahn entsteht derzeit ein Kraftwerk auf Basis der hoch leistungsfähigen Gas- und Dampftechnik. Es soll später die Versorgung der etwa 300.000 Haushalte mit Fernwärme und Strom komplett übernehmen. Klingenberg werde dann nur noch bei steigendem Energiebedarf an besonders kalten Tagen hochgefahren. Perspektivisch arbeite Vattenfall auch an die Ablösung seiner mit Steinkohle befeuerten Kraftwerke in Siemensstadt und Moabit; gemeinsam mit dem Senat würden Studien zu erneuerbarer Energien erarbeitet. Auch Lichtenbergs Bürgermeister, Michael Grunst (Linke), ist erleichtert, dass künftig deutlich weniger Kohlendioxid die Berliner Luft verpesten wird: „Danke, Klingenberg! Auch dafür, dass wir das Steinkohlewerk und ein Biomassekraftwerk verhindern konnten. Lichtenberg ist auf dem Weg in eine saubere Zukunft“, sagt er. Sein Wunsch an Vattenfall: Gucken, was auf Bezirksebene gemeinsam möglich ist – wie etwa für den weiteren Ausbau von Blockkraftwerken.
Autor und Bild: Jürgen Zweigert