Corona bringt Kleinunternehmer in wirtschaftliche Krisen.
„Im Moment wird der Markt prima angenommen. Die Leute mögen ja die frische Ware, die hier angeboten wird“, sagt Steven Kramm, der die beiden Wochenmärkte auf dem Schöneberger Winterfeldplatz mittwochs und samstags organisiert. Hier gibt es Obst, Gemüse, Fleisch, Käse und nationale und internationale Spezialitäten. Dazu gibt es hier noch zahlreiche Feinkost-Imbisse, Souvenirständen und kleine Manufaktur-Angebote – Postkarten, Schmuck, T-Shirts, Taschenmesser, Taschen und Mode. Etwa ein Drittel aller Händler bieten sogenannte Non-Food-Waren an.
Eigentlich endet jetzt für die Händler die Winterpause
„Wegen der Corona-Reglementierungen rechnen viele Non-Food-Händler auch damit, in den nächsten Wochen zuhause bleiben zu müssen“, sagt Ralf Kofert, der schon seit vielen Jahren Berlin-Souvenirs auf Berliner Wochenmärkten anbietet – auf den Märkten am Winterfeldplatz und am Wittenbergplatz hat er jeweils seinen Stammplatz. Seine Postkarten, Aufkleber, Kuscheltiere und Kuchenformen sind bei Berlin-Besuchern sehr beliebt. „Touristen gibt es derzeit aber nicht in der Stadt. Und Berliner haben jetzt doch überhaupt kein Interesse für meine Ware. Es sieht schlecht aus und ich muss irgendwie zusehen, dass ich meine Wohnungsmiete noch zusammen bekomme“, sagt Kofler, der betont, dass gerade in diesen Tagen die Saison nach der Winterpause hätte losgehen sollen. „Die Ostermärkte und auch alle Flohmärkte werden ausfallen. Diese Umsätze müssen wir uns abschminken“, sagt Kofler.
Mangel an Hilfskräften und Erntehelfern droht
Eine Einschätzung, die auch Norbert Krause teilt. Der 43-Jährige ist zu dieser Jahreszeit normalerweise auf den großen Jahrmärkten in Deutschland unterwegs und versorgt Händler mit Elektroartikeln. Halogenleuchten, Lampen, Klammern, Batterien und Akkus gehören zu seinem Sortiment. „Da geht wegen der Corona-Krise im Moment gar nichts. Alle Jahrmärkte, Messen und Veranstaltungen wie der Hamburger Dom, die Osterjahrmärkte auf den Dörfern oder Frühlingsfeste in den größeren Städte sind abgesagt“, erklärt Krause, der auf dem Winterfeldmarkt nun doch noch einmal versucht, seine Ware den ganz normalen Marktkunden anzubieten. Selbst wenn in den kommenden Wochen die Genehmigungen für Märkte und Events gelockert würden, hätte die ganze Branche ein riesiges Problem, sagt der Elektro-Spezialist. „Die Veranstaltungen stehen und fallen doch mit der Arbeit der Hilfskräfte. Die kommen fast ausnahmslos aus dem osteuropäischen Ausland. Und da ist ja auch im Moment Einreise-Stopp“, so Krause, der weiß, dass das Problem der fehlenden Arbeitskräfte in den kommenden Wochen auch die Lebensmittelhändler erreichen könnte.
„Irgendwann stehen die Frühjahrsernten für Obst und Gemüse im Süden Europas an. Den Bauern in Spanien, Italien und Frankreich werden dazu die Arbeitskräfte fehlen. Auch beim Spargelstechen in der Region ab Mai werden das unsere Landwirte zu spüren bekommen“, erklärt Gemüsehändlerin Hannelore Berndt, die vier Mal wöchentlich ihre Ware auf einem der Berliner Wochenmärkte anbietet. „Wenn uns Ware fehlt, gibt es keinen Umsatz“, sagt sie.
Noch fehlt es an echten finanziellen Unterstützungen
Viele Händler hoffen nun auf Hilfe vom Staat. „Etwas Konkretes, was uns über diese schwere Zeit helfen könnte, war aber noch nicht dabei“, sagt Doris Schmale. Sie verkauft ihre selbst gefertigten Lederwaren auf dem Stoffmarkt am Reichpietschufer und auf dem Frischemarkt am Boxhagener Platz. „Zinslose Kredite, die über Hausbanken angeboten werden, sind keine Hilfe. Die sogenannten Solo-Selbstständigen auf den Märkten haben doch zum Teil noch nicht einmal ein eigenes Geschäftskonto und werden selbst bei diesen Kreditangeboten nicht berücksichtigt. Vielen von uns bleibt nur der Weg zum Job-Center. Und da gibt es im Moment niemanden als Ansprechpartner“, sagt sie. Ihre fixen Kosten sind vor allem Miet- und Lagerkosten und Ratenzahlungen. „Richtig hart trifft uns die Fortzahlung der Krankenversicherung. Je nach Umsatz der einzelnen Händler werden da monatliche Beträge zwischen 200 und 800 Euro fällig. Niemand von uns hat dafür größere Rücklagen“, stellt die Händlerin fest. Und ergänzt: „Dieses Problem wird nicht nur uns treffen: Taxifahrer, Kuriere, Kellner – eigentlich alle, die auf Basis einer steuerlichen Selbstständigkeit mit geringen Umsätzen und Gewinnen gearbeitet haben, stecken jetzt in großer finanzieller Not“, sagt Doris Schmale.
Forderung nach bedingungslosem Grundeinkommen für die kommenden Monate
Sie setzt sich jetzt für die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens ein. „Es muss Geld da sein, mit dem ich in diesem Jahr leben kann und für das ich mich in der Zeit nach Corona nicht verschulde. Die Rückzahlung wird keiner der kleinen Selbstständigen schaffen. Wir rutschen dann durch alle sozialen Netze“, warnt sie. Genau jetzt sei die Zeit perfekt, um das Prinzip des bedingungslosen Grundeinkommens für einen begrenzten Zeitraum zu erproben. „Mit dieser Maßnahme hätten wir deutlich weniger Verwaltungsaufwand und auch eine Menge Zeit gewonnen“, sagt sie.
Dafür hat Doris Schmale nun mit ihren Kollegen eine Petition auf der Initiativ-Plattform change.org gestartet.
Wer die Händler unterstützen möchte, findet online mehr Infos zu ihren Forderungen.
Datum 19. März 2020, Text und Bild: Stefan Bartylla