Neue Runde zur Findung begann – Betroffene weiter außen vor.
Namen sind Schall und Rauch? Nicht im Wedding. Nicht im Afrikanischen Viertel: Seit Jahren tobt hier ein Streit um rassistisch belastete Straßennamen. Es geht um die Lüderitzstraße, den Nachtigalplatz, die Petersallee. Seinerzeit Menschen gewidmet, die aktiv dabei waren, als sich das deutsche Kaiserreich im Süden Afrikas brutal einen „Platz an der Sonne“ sicherte. Durchweg berühmt-berüchtigte Kolonialisten, Vollstrecker eines Eroberungsfeldzuges, der Hunderttausende Afrikaner das Leben kostete und Millionen ins Elend stürzte?
Nun ja! Bereits seit 1986 ist die Petersallee nicht mehr Carl Peters, dem schrecklichen „Hänge-Peters“ gewidmet, sondern dem NS-Widerstandskämpfer und Mitglied des „Kreisauer Kreises“, Hans Peters. Er sollte bleiben. Umstritten auch Gustav Nachtigal: Der damalige Reichskommissar in Westafrika gilt als weltweit anerkannter Afrikaforscher und weniger kolonial-belastet. Bliebe am Ende also nur die Lüderitzstraße als umzubenennendes Objekt?
Keine Bürgerbeteiligung
Der Vorgang der Straßenumbenennung ist emotional hoch belastet. Seit Jahren beschäftigen sich auch immer wieder die Bezirksverordneten damit. Niemand will eine Glorifizierung deutscher Kolonialgeschichte im Afrikanischen Viertel. Aber ganz offensichtlich weiß auch keiner so recht, wie sich der Ballast abstreifen lässt. Bürger wurden an der Namensfindung beteiligt, Wissenschaftler zur Bewertung kolonialer Afrikapolitik einbezogen, eine zehnköpfige, lange geheim gehaltene Jury sollte die Favoriten benennen.
Sie tagte seit Jahresbeginn acht Mal, bevor Anfang Juli endlich weißer Rauch aufstieg und sie sechs Namen präsentierte, allerdings dabei viele Bürgervorschläge – selbstherrlich, finden viele – ignorierte. Nach Ansicht der Anwohner-Initiative Pro-Afrikanisches Viertel (IPAV) war das Ganze eine Farce und völlig unnötig. „Die Bürger waren nicht beteiligt. Wir schämen uns vor den schwarzen Anwohnern im Viertel, die keine Stimme in diesem unsäglichen Verfahren hatten“, kritisiert IPAV-Sprecherin Karina Filusch.
Um es kurz zu machen: Die zuständige Bezirksstadträtin von Bündnis 90/Die Grünen, Sabine Weißler, erklärte das Juryverfahren für beendet – und hob ein neues aus der Taufe. Alle BVV-Fraktionen können nun einen Wissenschaftler vorschlagen, der die lange Namensliste durchgehen, einige auswählen und zu diesen „wissenschaftliche Stellungnahmen“ präsentieren soll. Transparente Verfahren mit Beteiligung der betroffenen Bürger sehen im 21. Jahrhundert anders aus.
Jürgen Zweigert, Bilder: Ulf Teichert