Anwohner am Groß-Glienicker See wehren sich gegen neues Entwässerungssystem.
Schön hier draußen an der Kurpromenade: dichter, alter Baumbestand, begrünte Straßenränder, schmucke Häuser, wenig Beton. Natur pur im idyllischen Kladow zwischen Ritterfelddamm und Groß Glienicker See. Doch Unheil droht: Der Bezirk Spandau und die Berliner Wasserbetriebe planen hier ein umfangreiches Entwässerungssystem mit großem Versickerungsbecken, um das weitere Absinken des Seewassers zu verhindern und die bedrohte See-Ökologie wieder zu stabilisieren. Die alten Gullis und Rohre, heißt es zur Begründung, funktionierten nicht mehr, sodass bei Starkregen und Überlastung der Kanalisation auch Fäkalien in den See gespült würden. Deshalb soll das Regenwasser aus den Anliegerstraßen gezielt abgeleitet werden und seenah versickern. Die Realisierung des Projekts wäre ein tiefer Eingriff in die über Jahrzehnte gewachsene, naturbelassene Idylle.
500 Bäume in Gefahr
Gegen die Bezirkspläne wächst der Widerstand, die Wut ist groß. Die frisch gegründete Bürgerinitiative Wochenend West (BIWW) mobilisiert die rund 1.000 Anwohner. Ihr Sprecher Sven Bühring sagt, warum: „Keine Frage, natürlich brauchen wir ein funktionierendes Entwässerungssystem. Doch diese Pläne sind völlig inakzeptabel. Der komplette Straßenraum soll versiegelt werden, breitere Fahrbahnen, befestige Gehwege, keine Grünstreifen mehr. An die 500 Bäume müssten weg.“ Er vermutet, dass mit dem Projekt die Kosten für die Sanierung des Groß-Glienicker Sees – eigentlich von Stadt und Bezirk zu tragen – als Ersterschließungsmaßnahme auf die Anwohner abgewälzt werden sollen. Im Zuge der Baumaßnahme wäre jedes Grundstück mit einer Kostenumlage von rund 20.000 Euro dabei. „Rechtlich fragwürdig, denn wir haben bereits vor Jahren in die Pflasterkasse eingezahlt“, sagt er.
Falsche Zahlen
Vor allem empört ihn und die Anwohner, dass ihre Einwände im Bezirk auf taube Ohren stoßen, sie weder gefragt, noch beteiligt werden. Erstaunt registrierten sie, wie ihre natürlichen „Wohnwege“, auf denen das Wasser versickern kann, zu „Sammelstraßen“ deklariert wurden. „Ein Trick“, sagt Bühring. „Anders als für Wohnwege sind für die Sammelstraßen befestigte Bürgersteige vorgeschrieben.“ Die Folge: kein Versickern des Regenwassers im Straßenraum möglich, also aufwändige Ableitung. Der Bezirk begründet die Umwidmung und den Ausbau der Straßen mit einem wachsenden Verkehrsaufkommen. „Totaler Quatsch“, kontert Bühring. „Es gibt keine Durchgangsstraßen, nur Fußgänger, Radfahrer, Anwohnerverkehr.“ Inzwischen ruderte auch Bezirksstadtrat Frank Bewig (CDU) zurück und musste eingestehen, dass die den Planungen zugrunde liegenden Zahlen zum Verkehrsaufkommen in der Kurpromenade falsch waren.
Ausbaupläne gestoppt
Einen Teilerfolg kann die BIWW nach ihren massiven Protesten zumindest verbuchen: Auf ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause stoppten die Bezirksverordneten auf Antrag der Grünen und der FDP vorerst die Ausbaupläne. Die Kurpromenade soll ohne feste Bürgersteige ausgebaut, die Bäume sollen erhalten bleiben, Alternativen mit den Bürgern diskutiert werden. Sven Bühring und die anderen bleiben skeptisch: „Hinhaltetaktik. Man sucht keine Alternativen, will uns vielmehr am langen Arm verhungern lassen. Amtsintern gehen die überdimensionierten Planungen weiter – bislang ohne uns.“ Deshalb wandten sie sich an Senat und Abgeordnetenhaus mit der Bitte, die Umsetzung des BVV-Beschlusses zu unterstützen. Hitzige Tage am Glienicker See in diesem verregneten Sommer. Das Abendblatt bleibt dran.
Jürgen Zweigert, Bild: imago/Martin Müller