Berliner Unterwelten e.V. macht die AEG-Versuchstrecke zugänglich und führt durch den ersten U-Bahntunnel Deutschlands.

Dietmar Arnold ist in seinem Element: Wortreich und faktenkundig erklärt der Vereinsvorsitzende des Berliner Unterwelten e.V. die Funktionsweise der „Preußischen Direktorendraisine“. „Eigentlich sollte sie unsere Besucher durch den Tunnel schaukeln. Geht leider nicht. Das Gefälle ist zu groß“, sagt er. So bleibt das detailgetreu restaurierte Unikat am Tunnelende stehen. Wir sind unter der ehemaligen AEG-Maschinenfabrik an der Voltastraße in Gesundbrunnen. Gut ausgeleuchtet, schlängelt sich die elliptisch geformte Backsteinröhre durch den Untergrund – 374 Meter lang, 3,15 hoch, 2,6 breit, bis zu sechs Metern tief. Im Mai 1897 begann an diesem Ort nach zweijähriger Bauzeit ein ganz besonderes Stück Berliner Industriekultur: Die AEG testete hier ihre elektrifizierten Tunnelwagen – den Vorläufer unserer heutigen U-Bahn. Eine verkehrstechnische Pioniertat.

Umstrittene Pläne

Damals suchten viele nach Verkehrskonzepten für die industriell und sozial boomende Metropole. AEG-Firmengründer Emil Rathenau war begeistert von der Londoner „Tube“, die bereits 1890 elektrisch betrieben auf Strecke gegangen war. So etwas wollte er auch für Berlin. Aber die „märkische Streusandbüchse“ war dafür ein schwieriges Terrain. Auch die Erbauer des gerade errichteten Kanalisationssystems fürchteten Ungemach und wehrten sich erfolgreich gegen die Untertunnelung. Selbst die vom AEG-Konkurrenten Werner von Siemens favorisierte „Unterpflasterbahn“ kam über die Projektstudie nicht hinaus. So baute Berlin seine „U-Bahn“ zunächst oberirdisch als Hochbahn. Doch Rathenau gab nicht auf. „Zum Glück“, sagt Arnold. „Seine Versuche haben die spätere U-Bahn-Entwicklung wesentlich befeuert.“ Noch bis etwa 1914 zuckelten die Elektro-Waggons – 30 Kilometer schnell – durch den Tunnel, beförderten Arbeiter und Material zwischen den AEG-Fabriken an Brunnen- und Ackerstraße. Später wurde in seinem Schutz Munition produziert und diente er als Luftschutzanlage. Dann wurde es still in der Röhre. 1984 gab AEG den Standort endgültig auf.

Wasser abgepumpt

Nur Insider wussten noch von dem Schmuckstück verkehrstechnischer Innovation im Untergrund, das jetzt 120 Jahre alt wird. Insider wie der Berliner Unterwelten-Verein. Mit Hilfe der Grundstückseigentümerin – der Gewerbesiedlungs-Gesellschaft – holte er die Röhre aus ihrem Dornröschenschlaf und will sie einem breiten Publikum zugänglich machen. „Wir pumpten das Wasser ab, sanierten das Mauerwerk, legten 320 Meter historisches Gleis frei“, erläutert Arnold. 200.000 Euro hat sich der Verein das Projekt kosten lassen und hofft nun auf viele interessierte Besucher. Ab 8. April ist das Resultat ganzjährig jeden Sonnabend um 11 und 13 Uhr zu besichtigen. Die 90-minütige Tour A-Führung kostet 11 Euro und beginnt in der Voltastraße 6. Besucher müssen volljährig sein; sie sollten sich warm und trittfest anziehen. Karten gibt es ausschließlich über im Onlineshop auf www.reservix.de.

Jürgen Zweigert, Bild: Berliner Unterwelten e.V./Holger Heppel