Zählgemeinschaft: In Charlottenburg-Wilmersdorf regiert Rot-Grün, die Linke toleriert das Bündnis und Reinhard Naumann (SPD) bleibt Rathauschef.

Plötzlich ging alles ganz schnell: Zu Wochenbeginn unterzeichneten SPD und Bündnis-Grüne in Charlottenburg-Wilmersdorf ihre neue Partnerschaft für die nächsten fünf Jahre. Allerdings mussten sie zur Absicherung der Mehrheit im Bezirksparlament die wieder erstarkte Linke mit ins Boot holen, die der rot-grünen Minderheitsregierung mit einer Tolerierungsvereinbarung Rückendeckung gibt. Das Zwei-plus-eins-Bündnis war geschmiedet – und damit am Donnerstag der Weg frei für die Wahl des alten und neuen Bürgermeisters Reinhard Naumann (SPD).

Geschafft

Sicher war das lange nicht. Denn obwohl die SPD mit rund 25 Prozent der Stimmen alle Machtoptionen in der Hand zu haben und die rot-grüne Ehe sicher schien, begann nach der Wahl ein seltsames Pokerspiel. Denn plötzlich machte die CDU – mit 21,6 Prozent zweitstärkste Kraft – den Grünen Avancen und signalisierte, gar einen grünen Bürgermeister mitwählen zu wollen. Zeitweise sahen diese darin „ein interessantes Angebot“. Dabei blieb es auch, wie das jetzt unterzeichnete Papier für eine gemeinsame Politik zeigt. Ganz sicher kam dieses „Gesamtkunstwerk“ – wie es SPD-Kreisvorsitzender Christian Gaebler bezeichnete – nicht ohne Hauen und Stechen zustande. Denn eine grüne Bedingung war die Verantwortung für das Bauressort – bisher fest in SPD-Hand. Wer hier regiert, entscheidet maßgeblich über die städtebauliche Zukunft der City West, wichtig für ganz Berlin. Zuständig dafür ist nun der Grüne Oliver Schruoffeneger, bislang Stadtrat für Jugend, Familie, Schule und Sport; Bereiche, die jetzt an die SPD gingen. In seinen Verträgen zeigt das linke Bündnis klare Kante: Es geht ums Wohnen, um bezahlbare Mieten, sozialen Zusammenhalt, um die wachsende Stadt. Reinhard Naumann will „den Aufschwung der City West befördern und zugleich die Sorgen von Menschen, die befürchten, abgehängt zu werden, ernst nehmen“. Also eine Stadt, die sozial wächst. Die Grünen wollen mehr und rechtzeitige Bürgermitsprache an Bauprojekten, eine Stabsstelle für Nachhaltigkeit, mehr für die Umwelt. Die Linken sehen sich in der Allianz eher als unbequemen Partner denn als Mehrheitsbeschaffer für Rot-Grün. Sie tragen nur mit, was ihrer angekündigten „Revolution der sozialen Gerechtigkeit“ entspricht und fordern u.a. ein Milieuschutzgebiet im Klausenerplatz-Kiez und die härtere Durchsetzung des Zweckentfremdungsgebots. Sehr konkret werden die Partner noch nicht; vieles bleibt reichlich abstrakt – selbst das Hauptanliegen „bezahlbares Wohnen“. Seit Donnerstag hat Zwei-plus-eins fünf Jahre Zeit zu beweisen, wie eine „soziale Stadt“ wächst, wie man in ihr bezahlbar wohnt und lebt.

Die CDU nominierte als stellvertretenden Bezirksbürgermeister und Stadtrat für Gesundheit und Soziales den bisherigen Amtsinhaber Carsten Engelmann. Für das Amt des zweiten Stadtrates, zuständig für Bürgerdienste, Ordnungsangelegenheiten, Wirtschaft und Verkehr, ist der bisherige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der BVV-Fraktion, Arne Herz, vom CDU-Kreisparteitag nominiert worden.

Jürgen Zweigert