Deutsch-Jüdisches Zentrum: Star-Architekt Libeskind konzipiert Neubau in City West / Leuchter-Skulptur auf Ku’damm-Mittelstreifen geplant.

Avitall Gerstetter ist eine herzliche, den Menschen zugewandte, lebenssprühende und energische Persönlichkeit. Die schmale, wallend rotgelockte Frau mit der durchdringend-klaren Stimme ist talentiert auf vielen Gebieten: Sie ist Musikerin, gar Popmusikerin, Tänzerin, organisiert interreligiöse Fußballturniere, ist unermüdlich mit neuen Projekten beschäftigt. Doch zuallererst ist sie jüdische Kantorin. Die erste Deutschlands überhaupt, als sie 2001 im Betraum der Synagoge Oranienburger Straße den Talar anlegte.

Eine ebenso gottgläubige wie weltoffene Kantorin. „Ich empfinde Gott“, sagt sie. „Aber ich will auch die Gesellschaft verändern und für ein wohlwollendes Miteinander aller Religionen sorgen.“ Eine Sichtweise, die vielen orthodoxen Juden ein Dorn im Auge ist. Sie lehnen Frauen als Kantorinnen ab. Gleichberechtigung komme zwar auf Trippelschritten voran – aber die Ressentiments halten sich hartnäckig, findet Gerstetter. Doch sie lässt sich trotz allem nicht unterkriegen.

Avitall hat einen Traum – ein deutsch-jüdisches Zentrum in Charlottenburg-Wilmersdorf. Sie ist Mitinitiatorin des Projekts „Ahawa“ – hebräisch „Liebe“ -, wie das Zentrum heißen soll. An ihrer Seite der Publizist Sergey Lagodinsky und Samuel Urbanik; auch Berlins Ex-Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) engagiert sich. Aber vor allem: Daniel Libeskind liefert – für ein geringes Honorar – den Entwurf. Der US-amerikanische Star-Architekt hatte bereits den eigenwilligen Neubau des Jüdischen Museums entworfen; man kann also davon ausgehen, dass  „Ahawa“ auch architektonisch etwas ganz Besonderes wird. Ein weltoffenes Haus für Theater, Konzerte, Ausstellungen, politischen Diskurs zwischen den Völkern und Religionen ist geplant.

Genau hier, wo vor 1933 Zehntausende Juden zu Hause waren und das jüdische Leben pulsierte. Hier, wo Straßen und Mauern voller tragischer Geschichten über Deportation und Shoah sind. In Wilmersdorf betrug der jüdische Bevölkerungsanteil einstmals 13,5 Prozent. Auch in Charlottenburg lebten vor 1933 Hunderttausende Juden. „Das Miteinander funktioniert nur, wenn wir uns der Vergangenheit bewusst sind“, weiß Avitall und ringt hartnäckig für das Zentrum. Noch sind die Initiatoren auf Grundstückssuche; mehrere Standorte, die der Bezirk vorschlug, sind im Gespräch. Auch verhandeln sie mit dem Senat über Fördergelder, denn allein aus Spenden trägt sich das Projekt nicht.

Es dauert also noch, bis aus dem Traum „Ahawa“ Realität wird. Doch erste Zeichen will man früher setzen: Auf dem Mittelstreifen Ku’damm/Ecke Knesebeckstraße soll eine kunstvoll stilisierte Leuchter-Skulptur das aufblühende jüdische Leben in der westlichen City symbolisieren. Bereits im Sommer 2018 – so der Plan – soll das fast vier mal vier Meter große Werk des Pariser Künstlers Arik Levy stehen. Nicht nur ein „Hingucker“, sondern eine Skulptur, die aus verschiedenen Perspektiven jüdische Kultur buchstäblich in ein neues Licht rückt. Allerdings sind auch hier noch nicht alle Mittel für das rund 260.000 Euro teure Projekt aufgebracht. Zwar kam aus dem Verkaufserlös der kleinen Leuchter-Modelle, von Sponsoren und aus Spenden ein Großteil zusammen; doch eine beträchtliche Summe fehlt noch. Avitall und ihre Mitstreiter hoffen auf weitere Spenden.

Mehr Informationen dazu auf www.avitallcollection.com/de/spenden.

Jürgen Zweigert, Bild: imago/Schöning/ 79485665