Auch in Lichtenrade hat es in der Silvesternacht Ausschreitungen gegeben. Bild: IMAGO/Müller-Stauffenberg
Auch in Lichtenrade hat es in der Silvesternacht Ausschreitungen gegeben. Bild: IMAGO/Müller-Stauffenberg

Gewalt und Randale: Die Silvesternacht endete auch in Lichtenrade im Exzess. Das Quartiersmanagement setzt auf mehr Jugendsozialarbeit und Prävention.

Die Gewalt der Silvesternacht war für viele Lichtenrader nicht vorhersehbar. Nach und nach lässt sich das ganze Ausmaß erahnen.

Ein Bericht der Senatsinnenverwaltung lässt das Geschehen Revue passieren. „Im Laufe des Feuerwehreinsatzes wurden aus einer Personengruppe heraus Fahrzeuge und Einsatzkräfte der Berliner Feuerwehr angegriffen“, heißt es im nüchternen Amtsdeutsch. „Zunächst sprühte eine vermummte tatverdächtige Person Reizgas in Richtung der Einsatzkräfte. Kurz darauf erschienen mehrere Personen, die Eisenstangen in Richtung der eingesetzten Kräfte der Berliner Feuerwehr warfen und diese mit Pyrotechnik beschossen.“

Barriere aus brennendem Müll

Auf der Fahrbahn der Groß-Ziethener Straße errichteten die Randalierer eine Sperre aus Müll und setzten sie in Flammen. Dort hielten sich 60 bis 80 Menschen auf. Mit Wurfgeschossen und Pyrotechnik attackierten sie Polizisten und Feuerwehrleute. Zwei
Einsatzfahrzeuge der Polizei wurden beschädigt. Gegen einen Tatverdächtigen wird wegen des Verdachts des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte ermittelt.

Der Bericht findet sich in der Antwort von Innenstaatssekretär Torsten Akmann auf eine parlamentarische Anfrage des Tempelhof-Schöneberger Abgeordneten Christian Zander (CDU). Das Schreiben wirft viele Fragen auf. Zum Beispiel: Was können und müssen die Behörden tun, damit sich solche Exzesse vor allem jugendlicher Täter nicht wiederholen?

Aus Sicht des Quartiersmanagements Nahariya-Straße (QM) liegt die Lösung auf der Hand: mehr Gewaltprävention und Jugendsozialarbeit. „Das Ausmaß der Ausschreitungen an Silvester war für uns überraschend“, sagt QM-Mitarbeiter Peter Pulm. „Allerdings ist schon länger klar, dass die Jugendsozialarbeit und Gewaltprävention im Quartier ausgebaut werden müssen.“

„Jugendliche brauchen zusätzliche Angebote“

Jugendliche brauchten mehr Angebote auch außerhalb der Jugendfreizeiteinrichtungen und der bestehenden Jugendsozialarbeit, zum Beispiel Treffpunkte, wo sie unter sich sein können oder Jugendsozialarbeit in den Abendstunden, so Pulm. „Wir benötigen mehr Projekte in dieser Richtung, die mittel- oder langfristig über den Bezirks- oder Landeshaushalt finanziert werden. Das würde mehr Planungssicherheit als bei kurzzeitigen Förderungen aus Programmmitteln bedeuten.“

Auch an der Nahariya-Grundschule sollten Schulsozialarbeit und Gewaltprävention gestärkt werden, so der Quartiersmanager: „Neue Ansätze gibt es schon. Zum Beispiel wird dort in Kooperation mit dem benachbarten Kinder- und Jugendhaus Fair- und Funboxen angeboten. Wir als QM fördern das Projekt.“ Die Verantwortung für die Ausschreitungen der Silvesternacht lasse sich schwer zuweisen. Sie liege auch nicht bei der Nahariya-Schule. „Die Schule könnte aber ein guter Ankerpunkt für gewaltpräventive Arbeit im Quartier sein“, sagt Pulm.

Offenbar findet seine Einschätzung Gehör in der Landespolitik. Akmanns Bild der Lage beruht auch auf Angaben des QM. „Nicht nur vor dem Hintergrund der Angriffe in der Silvesternacht wird davon ausgegangen, dass der bestehende Bedarf nicht gedeckt ist“, schreibt der Staatssekretär zum Thema Jugendsozialarbeit. Bestimmte Jugendliche seien schwer zu erreichen.

Mehr Personal

Die Jugendsozialarbeit scheine für den Bedarf nicht ausreichend ausgestattet zu sein. Aus diesem Grunde sei das Projekt „Jugendsozialarbeit Plus“ im Rahmen des Quartiersmanagements entwickelt und ab 2023 in die Förderung gebracht worden. „Erste Rückmeldungen zu dem Handlungsansatz weisen darauf hin, dass hier der personelle
Bedarf größer ist als im Projekt abgedeckt“, so der SPD-Politiker.

Zudem sei im vergangenen Jahr das Thema Gewaltprävention im Quartier im
Bildungsverbund Lichtenrade/Nahariastraße+ im Rahmen eines Verbundtreffens
aufgerufen und behandelt worden. Akmann: „Auch hier deutete sich ein weiterer Handlungsbedarf an. Für eine stärkere thematische Arbeit benötigt der Bildungsverbund mehr finanzielle und personelle Ressourcen.“

Ob, wann und wie das Land Berlin oder der Bezirk Tempelhof-Schöneberg die Jugendsozialarbeit und Gewaltprävention in Lichtenrade tatsächlich stärken werden, ist momentan offen.

Text: Nils Michaelis