Sehenswertes in der Spandauer Wilhelmstadt und der Ortslage Tiefwerder.
Unterwegs in einer schönen Gegend, die für viele Nicht-Spandauer ein unbeschriebenes Blatt ist. Man sollte für die knapp sechs Kilometer lange Strecke um die zwei Stunden einplanen. Sich zu Fuß an der lauten Heerstraße zu bewegen, ist keine Freude. Deshalb biegen wir schnell von der Bushaltestelle Alt-Pichelsdorf in den Südpark und gehen am Ufer des Südparkteichs entlang, lassen einen Spielplatz und eine kleine Brücke rechts liegen und erreichen am Seniorenklub Südpark die Melanchthonstraße.
Sie führt auf die Melanchthonkirche zu (Melanchthonplatz, Wilhelmstadt, Tel. 339 36 90 10, www.melanchthon-spandau.de). Am 15. Dezember 1893 wurde sie nach nur siebeneinhalb Monaten Bauzeit nach Plänen des Königlichen Baurats Heinrich von Lancizolle eröffnet. Namensgeber war der Reformator Philipp Melanchthon. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche beschädigt. Von 1954 bis 1956 restaurierte Emil Fangmeyer das Gebäude.
Kurz vor dem Gotteshaus geht es rechts in die Adamstraße, eine belebte Trasse mit etlichen Einzelhändlern und denkmalgeschützten Häusern. Die letztgenannten gehören zur Wohnanlage „Adamshof“, 1925 nach Plänen von Richard Emisch gebaut. Die Adam- geht in die Betckestraße über. Auch hier: hübsche Wohnanlagen aus den 1920er-Jahren.
Ballhaus Spandau
Über die Götelstraße geht es zur Schulenburgbrücke (erbaut 1907 bis 1909) und weiter in die Schulenburgstraße, um in den Tiefwerderweg abzubiegen. Geradeaus erreichen wir die Ortslage Tiefwerder. Viele der in der Dorfstraße stehenden Häuser stehen als „Gesamtensemble Kolonistensiedlung Tiefwerder“ unter Denkmalschutz.
Die Dorfstraße führt zum altehrwürdigen Ballhaus Spandau (Dorfstr. 5, Tiefwerder, Tel. 21 95 67 51, Fr, Sa und vor Feiertagen ab 22 Uhr, www.ballhaus-spandau.club). Gegründet 1971, kann sich das Ballhaus rühmen, die älteste Discothek Europas zu sein. Von Anfang an lag der Musikschwerpunkt auf eher harten Klängen. Hier lernten sich Bela B. und Farin Urlaub kennen, die Anfang der 1980er-Jahre die Band Die Ärzte gründeten.
Die Dorfstraße lenkt in die Tiefwerder Wiesen hinein. Den Weg dorthin schmückt nicht nur eine über 200 Jahre alte, unter Naturschutz stehende Stieleiche, sondern auch ein hübscher Holzsteg über den Kleinen Jürgengraben. Die idyllischen Tiefwerder Wiesen sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen ist dieses Landschaftsschutzgebiet mit seinen 67 Hektar das letzte in Berlin erhaltene natürliche Überschwemmungs- und Hechtlaichgebiet, auf dem Galloway-Rinder und Wasserbüffel grasen. Zum anderen gehörte ein Teil dieses Areals bis 1988 zur DDR.
Seufzerbrücke
Der Pfad führt auf einen Rundweg rund um die Tiefwerder Wiesen. Wir biegen nach links ab und erreichen die Kolonie Klein-Venedig. Das ist daran zu erkennen, dass einem kleinen Holzsteg linker Hand mit einem Augenzwinkern der Name „Seufzerbrücke“ verpasst wurde. Von der Siedlung Klein-Venedig sieht man vom Wasser der zahlreichen Kanäle aus viel mehr als von unserem Spazierweg. Dennoch ist es hier mit den weiten Wiesenflächen sehr schön. Im Zickzack an Klein-Venedig vorbei stößt der Pfad auf den Brandensteinweg, der uns zurück zur Heerstraße und zur Bushaltestelle Pichelswerder bringt.
Man kann nun mit dem Bus zwei Stationen zum Ausgangspunkt an der Haltestelle Alt Pichelsdorf zurückfahren oder zu Fuß die Heerstraße nutzen. Nicht versäumen sollte man aber zum Abschluss einen Besuch in der „Waldschänke am Stößensee“ auf der anderen Seite der Heerstraße, einer der besten Imbissbuden der Stadt mit hausgemachtem Ketchup.
Text: Martin Schwarz