Wegen des vom Senat geplanten offenen Vollzug für Sicherungsverwahrte in Tegel gibt es seit Jahren politischen Streit. Jetzt hat sich das Bezirksparlament Reinickendorf festgelegt.
Die Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf hat vergangene Woche beschlossen, dass sich das Bezirksamt bei der Landesregierung dafür einsetzen soll, dass die geplante Einrichtung für den offenen Vollzug für Sicherungsverwahrte nicht in Tegel oder an einem anderen Ort im Bezirk angesiedelt wird. Wegen der „bereits jetzt schon hohen Anzahl an Vollzugseinrichtungen in Reinickendorf“ fehle dafür der Platz, heißt es zur Begründung des von der CDU-Fraktion initiierten und von der AfD-Fraktion unterstützen Antrags.
In Reinickendorf seien mit der JVA Tegel (938 Haftplätze), der Sexualstraftäterambulanz an der JVA Tegel (40 Therapieplätze), der JVA des offenen Vollzugs in Heiligensee (240 Haftplätze), dem Krankenhaus des Maßregelvollzugs in Wittenau (432 Plätze) und der JVA des offenen Vollzugs für Frauen in Wittenau (95 Haftplätze) überproportional viele Vollzugseinrichtungen angesiedelt.
CDU: Ängste der Bevölkerung müssen respektiert werden
„Die Sicherheitsbedenken der betroffenen Bevölkerung müssen ernst genommen werden“, so die CDU-Fraktion. „In
unmittelbarer Nähe zum geplanten Standort befinden sich Schulen und Kitas, das
Naherholungsgebiet Flughafensee“, Wohnsiedlungen sowie eine Kleingartenanlage.
Die Reinickendorfer SPD-Fraktion kritisiert eine „Nicht-vor-unserer-Haustür-Mentalität“ der CDU. Mit ihrem Antrag nehme sie in Kauf, dass das 2013 vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossene Sicherungsverwahrungsgesetz missachtet werde. Überdies mache sie keinerlei Vorschläge zu alternativen Standorten.
SPD: Viele Gründe sprechen für Standort Tegel
Für den offenen Vollzug in Tegel spricht aus Sicht der SPD-Fraktion, dass in der dortigen JVA auch der geschlossene Vollzug der Sicherungsverwahrung untergebracht ist. Zudem verfüge der geplante offene Vollzug nur über zehn Plätze. „Um hier betreut zu werden, werden die einzelnen Insassen genau geprüft und daraufhin untersucht, ob sie noch eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Marco Käber. „Es gibt also sehr strenge Anforderungen und es darf insbesondere nicht zu befürchten sein, dass sich der Untergebrachte dem Vollzug entzieht oder weitere Straftaten begeht. Die Sicherheit der Bevölkerung wird also jederzeit beachtet.“
Offen ist hingegen, ob der BVV-Beschluss überhaupt Konsequenzen hat. Nicht einmal in CDU-Kreisen glaubt man, dass sich die von Dirk Behrendt (Grüne) geführte Senatsjustizverwaltung davon abbringen lässt, Schwerstkriminelle, die ihre Strafe abgesessen haben, an der Seidelstraße in den offenen Vollzug zu überführen.
Petition von Bürgern wurde vertagt
„Die Koalitionsparteien spielen auf Zeit“, so die Reinickendorfer CDU-Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner und Stephan Schmidt in einer gemeinsamen Erklärung. „Bereits zum zweiten Mal stand die erfolgreiche Petition der Bürger aus Reinickendorf auf der Tagesordnung des Rechtsausschusses im Abgeordnetenhaus. Zum zweiten Mal wurde diese, ohne auch nur im Hauch inhaltlich diskutiert zu werden, vertagt.“
Anwohner würden von fortschreitenden baulichen Tätigkeiten zur Einrichtung des offenen Vollzugs berichten (siehe Foto). „Es ist sehr offensichtlich, dass die Regierungskoalition Fakten schafft und bei der späteren Bewertung des in der Petition geäußerten Bürgerwillens sagen wird ‚Alles schon gemacht – machen wir nicht mehr rückgängig!‘ So kann man nicht mit den Menschen umgehen!“
Demirbüken-Wegner und Schmidt teilen die Position der Petition und positionieren sich ebenfalls gegen die neue Einrichtung: „Berlin ist das erste Bundesland, das den offenen Vollzug für Sicherungsverwahrte einrichtet. Es gibt dazu noch keinerlei Erfahrungswerte oder Statistiken. Der geplante Standort in Tegel beunruhigt die Menschen in Reinickendorf völlig zu Recht.“
Datum: 16. Dezember 2020, Text: Nils Michaelis, Bild: CDU Reinickendorf